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Lummer-Lied

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„Wie nahte mir der Lum-mer...“ heißt eine leicht abgewandelte Arie aus dem „Freischütz“, die jetzt von einer DDR-Agentin in Ostberlin gesungen wird. Der ehemalige CDU-Innensenator von Westberlin, Heinrich Lummer, dagegen wurde zwar ins Scheinwerferlicht gezerrt, aber er will partout nicht singen. Wahrscheinlich ist er ein sogenannter OO-Agent für Latrinen-Gerüchte.

Österreicher aufgepaßt, hier könnt Ihr mal was lernen! Erstens solltet Ihr Euch nicht einbilden, daß Wien die einzige Spionage-Hochburg Europas ist. Zweitens zeigt Euch die Affäre Lummer einmal, wie ein deutscher Sicherheitschef persönlich Agentinnen enthüllt.

Er robbt sich bei der Vorwärtsverteidigung seines Vaterlandes in der fünften Kolonne liegend vor, opfert sein letztes Hemd und wirft sich mit bloßem Körper auf den feindlichen Lockvogel, um ihn genüßlich zu rupfen.

Ex-Innensenator Lummer gilt nicht zu Unrecht als prominentester Rechtsaußen der CDU, ein in Wort und Tat jederzeit scharf schießender Law-and Order-Mann mit einem herzlichen Verhältnis zu Schön-hubers Republikanern. Der Innensenator ist in Berlin wie ein Innenminister nicht nur für die Überwachung des Verkehrs zuständig, sondern auch für die Staatssicherheit.

SPD-Politiker sind oft dadurch unangenehm aufgefallen, daß sie wegen harmloser politischer Gesprächskontakte mit DDR-Politikern vom Verfassungsschutz verpfiffen und von der Staatsanwaltschaft öffentlich solange als Landes-, Bundes-, Geheimnis-und Hochverräter verfolgt wurden, bis ihnen auch ein Freispruch das eingebrannte Kainsmal nicht mehr abwaschen konnte.

Bei Lummer war das anders. Er hat sein Fräulein Verhältnis in Ostberlin — nennen wir sie mal Stasi - angeblich „rechtzeitig“ dem Landesverfassungsschutz gemeldet. Der bat ihn, als Konter-Agent-nennen wir ihn mal Blasi -seinen Spieß umzudrehen und seine schöne Leibspionin jeweils nachrichtendienstlich anzuzapfen, während sie ihn gerade auf der Matratze nach Staatsgeheimnissen abhorcht.

Nach gegenseitigen Leibesvisitationen, Abtastgesprächen und intimen politischen Sondierungen haben sich Stasi und Blasi dann in einer getarnten Wiedervereinigung für ihr geteiltes Vaterland einander hingegeben. Und das solange, daß der Fall jetzt als verjährt gilt.

Nach erfolgreicher Verrichtung ihrer gegenseitigen Nachrichtendienste haben sie dann jeweils für ihre Zentrale zu Hause ein paar Akt-Notizen geschrieben. Darum war es sicher nicht billig, aber wohl nach Recht und Ordnung, daß die deutsch-deutschen Staatsschützer wahrscheinlich auch noch die Spesen für diese gegenseitige patriotische Unterwanderung bezahlt haben.

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