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Lust des intellektuellen Sadismus

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Nachdem man durch Hans Magnus Enzensbergers Raffinesse das ganze Repertoire an zeitgenösischem Elend schmunzelnd und schließlich intellektuell angeheitert durchgewankt ist, fragt man sich und vielleicht auch den Autor: ja, darf man denn so virtuos souverän mit den Bedrohungen unserer Gegenwart spielen? Ist denn soviel Sodomie zwischen unserer unmittelbaren Sinnlichkeit und ausgetüftelten Intellektualität überhaupt statthaft?

Vom alten Ehepaar bis zum ausrangierten Revolutionär, dessen Kimme in der Maschinenpistole leer bleibt, weil der Feind ihn vergessen hat, kommen wir aus dem Vergnügen an unserer geistigen Malaise gar nicht mehr heraus. Das ist die Folge davon, daß Sinneslust und Sinnentleerung zur Deckung gebracht werden.

Da es sich um gesellschaftskritisehe Texte handelt, bleibt die Frage offen, welche Wirkung sie - jenseits des Vergnügens an der ästhetischen Perfektion - auslösen. Man kann Enzensberger als bösen Versucher sehen, der uns davon überzeugt, daß wir in eine Sackgasse geraten sind, wo es außer der Lust des intellektuellen Sadismus keinen Ausweg gibt. Man könnte in ihm aber auch den Moralisten erblicken, der uns aus der sträflichen Gleichgültigkeit gegenüber der Weltmisere aufrütteln möchte.

Dazu hat er sich die tragische Ironie erkoren. Denn mit der verbalen Vergnüglichkeit weckt sie zugleich unser schlechtes Gewissen und den Sinn für unsere Verantwortung: „Man sieht manches, wenn das Licht ausgeht.”

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