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Lyrik an Europa

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Ein „Brief nach Hause” setzt ein Gegenüber voraus, das behaust ist und dem Schreibenden in seinem Unterwegssein das Gefühl der Geborgenheit vermittelt. Während des Briefschreibens aber wird deutlich, daß es keine andere Behausung geben kann als die Zeit in ihrer Vergänglichkeit, denn just sie liefert das Baumaterial zur Geschichte, sie aber ist das Haus des Lebens. Sobald jedoch die „Geschichte zu Ende ist” und nicht mehr zu erwarten bleibt, büßen wir diese Behausung ein.

Mit der „Rückkehr in ein leeres Haus” erreichen diese Meditationen ihren Höhepunkt. Im Assoziationsfeld des Lesers werden sich Bezüge sowohl zur Einigung Deutschlands als auch zur „Einigung” Europas in der EU einstellen: Ein leeres Haus, in dem man von Zimmer zu Zimmer gehen kann, ohne Hindernis, Wand oder Tür. „Das Haus ist leer... vom Inzestverbot / bis zur freien Marktwirtschaft ein glatter Durchmarsch...”

Das beklemmende Bild der pluralistischen Gesellschaft, deren innere Anarchie nur durch die „Überordnung” eines kulinarischen Konsums noch halbwegs zu bändigen ist. Solange wir Humanisten wie Michael Krüger besitzen, ist Europas Haus nicht leer.

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