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Mader gegen Grillparzer

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Gigantonomie im Errichten von überflüssigen Kulturpalästen veranlaßt den burgenländischen Kultur-1 referenten, aus Einsparungsgründen gegen die Kultur vorzugehen.

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Gigantonomie im Errichten von überflüssigen Kulturpalästen veranlaßt den burgenländischen Kultur-1 referenten, aus Einsparungsgründen gegen die Kultur vorzugehen.

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Von manchen wird er als österreichischer Staatsdramatiker bezeichnet, der Nestor der österreichischen Theaterwissenschaft, Heinz Kindermann, bezeichnet ihn als einen, der Freud und Schnitzler vorweggenommen hat — Franz Grillparzer ist in der Tateiner der aufregendsten und modernsten Autoren der österreichischen Literatur, auch in unserer Zeit brennend aktuell.

Burgenlands Kulturlandesrat Gerald Mader hält nichts von ihm. Seit 1960 wurden auf der Burg Forchtenstein die Theaterstücke des Dramatikers gespielt. Der kleine Ort wurde in zwei Jahrzehnten zum internationalen Mittelpunkt der Grillparzerpflege und -forschung. 1983 stand wahrscheinlich zum letzten Mal Grillparzer auf dem Burg-Spielplan: „Blanka von Kastilien" unter der Regie von Klaus Maria Brandauer.

Denn Gerald Mader hat den Burgspielen für das heurige Jahr eine „schöpferische Pause" verschrieben. Die Sommer-Burgspiele Forchtenstein gibt es heuer nicht mehr. Möglicherweise auch nächstes Jahr nicht — fürchten die Verfechter eines zeitgemäßen Kulturbegriffes, unter ihnen auch Heinz Kindermann,-Gründer des Grillparzer-Forums, eines internationalen Kongresses, der seit 1963 Wissenschafter aus allen Kontinenten ins Burgenland gebracht hat.

Dieses Forum zieht jedenfalls nach Wien.

Burgenlands Kulturpolitiker haben für Forchtenstein und Grillparzer offenbar nichts übrig — der Sozialist Mader bekommt Schützenhilfe vom ÖVP-Kultur-sprecher Franz Sauerzopf, der „gar nicht so unglücklich" über diese Entwicklung ist: „Grillparzer ist durchaus zeitgemäß, aber nicht auf Forchtenstein. Und was manchmal geboten worden ist, war teilweise antiquiert und teilweise stimmte das, was Herr Brandauer aus dem linken Ärmel geschüttelt hat, nicht mehr mit der Gründungsidee überein, mit der Forchtenstein vor fast dreißig Jahren gegründet worden ist."

Ein Duett der Kulturbanausen?

Heinz Kindermann meint: „ Die Idee von Leopold Ahlsen, dem ersten Intendanten der Festspiele, und von Fred "Sinowatz, dem damaligen Kulturlandesrat, war, kulturelle Anziehungspunkte zu schaffen, die es nirgendwo anders gibt — Operette auf der Seebühne Mörbisch und Grillparzer-Pflege auf Forchtenstein."

Mörbisch ist tatsächlich tief gesunken: billiger Klamauk soll bei den rund 30.000 Besuchern die

Vorfreude auf Pußtaromantik und auf den Wein heben — es lebe der Fremdenverkehr! Dieser künstlerische Niedergang scheint Mader allerdings nicht zu stören — Operettengeld stinkt nicht, die Besucherauslastung von 80 Prozent scheint wichtiger zu sein als künstlerisch hochstehendes Sommertheater. Wichtiger als Grillparzer.

Die Finanzen führt Gerald Mader auch für Zwangspause der Forchtensteiner Burgspiele an. „Es ist eine gewisse Grillparzer-Müdigkeit bei den Besuchern festzustellen, eine Auslastung von 30 Prozent, ein ständiger Besucherrückgang, vermehrte Kosten und Schulden von rund 5 Millionen Schilling, haben eine .Pause' notwendig gemacht." Und Franziska Schurli, Intendantin der Burgenländischen Festspiele, unterstützt ihren Landesrat: „Kein Theater der Erde hat soviel Grillparzer gespielt wie Forchtenstein". Außerdem sei nach Meinung von Schurli die Sommer-Konkurrenz größer geworden — vor zwanzig Jahren habe es noch keinen nö. Theatersommer gegeben.

Gegenwärtig arbeitet Mader an einem neuen Festspielkonzept. Es entpuppt sich, nach den Äußerungen des Kulturref erentenzu urteilen, als eine ungeheure Neuerung: Die Erfindung des Prinzips „Kraut und Rüben". Forchten-

Grillparzer in Forchtenstein stein soll — falls es-je wieder bespielt werden sollte — nicht mehr ausschließlich Spielstätte für Grillparzer sein, sondern „großes Welttheater ä la Schiller und Shakespeare bieten".

„Ein Allerweltsspielplan, den man überall haben kann", so lautet der Kommentar Heinz Kindermanns.

Im Schloß Kobersdorf, in dem bisher kroatische und slowenische Autoren aufgeführt wurden, soll Laientheater und Folklore Einzug halten. „Sparen darf nicht zu Lasten der schöpferischen Kräfte des Landes gehen" — mit dieser Devise verteidigt Mader seine Spar-Festspiele. Doch die schöpferischen Kräfte des Landes schauen schon lange durch die Finger. Sie schauen auf leere Konten — und auf Denkmäler, diesich Mader und Landeshauptmann Theodor Kery schon zu Lebzeiten errichtet haben. Ähnlich wie die ägyptischen Herrscher ihre Pyramiden, so haben Mader & Kery fünf Kulturzentren ins Land stellen lassen (Eisenstadt, Matters-burg, Oberschützen, Güssing und Jennersdorf). Baukosten dieser Betonbunker: 269 Millionen, rund ein Drittel des Landes-Kultur-budgets.

Diese Renommierkulturpolitik hat keine Früchte getragen - am Reißbrett wurden städtische Strukturen „erfunden", die kulturellen Aktivitäten wurden vom Wirtshaushinterzimmer ins Kulturzentrum zwangsverlegt, auf der Strecke sind Kunst, Künstler und Besucher geblieben.

Anstatt lokale Aktivitäten zu fördern, werden zweistellige Millionenbeträge alljährlich in die Kulturzentren gesteckt, die „wie das Pissoir einer russischen U-Bahn-Station aussehen" (so ein bekannter burgenländischer Kulturschaffender).

Mit Steuermitteln wird Schindluder getrieben. Deshalb bleibt für Grillparzer kein Geld.

Der offizielle Kulturbericht des Landes ist diesbezüglich - wie viele andere Berichte auch — verschleiernd. Denn wenn man ihn genauer liest — beim Handaufhalten haben weder die SPÖ- noch die ÖVP-nahen Kulturorganisationen etwas gegen des Steuerzahlers Schillinge. Und auch im Erfinden klingender Namen stehen die Politiker des östlichsten Bundeslandes den anderen Funktionären der Machtausübung um nichts nach — manches riecht nach Parteienfinanzierung. Versteckter natürlich — das versteht sich von selbst.

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