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Maximale Unarten

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Kaum hatte ich unseren Kindern mit viel Mühe, aber zweifelhaftem Erfolg erklärt, die Eigendefinition ihrer Frau Unterrichts-minister als „relativ total liberal“ sei wohl nicht wörtlich zu verstehen, und in der Hektik des Alltags könnten einem Politiker schon einmal die sprachlichen Pferde durchgehen, da fiel mir unser Verteidigungsminister in den Rük-ken.

Meine Hoffnung, die Kinder hätten dank des neuen Hörfunkschemas das Abendjournal nicht gehört, erwies sich als trügerisch: „Ich habe nicht ganz verstanden,was Lichal gemeint haben könnte“, begrüßte mich der Herr Sohn. „Ich bin ja überhaupt gegen die Draken — aber Lichal will, wie er gesagt hat, eine Optimierung und eine Maximierung der Bestrebungen zur Minimierung der Belästigungen, die durch den Betrieb eines Düsenflugzeugs gegeben sind. Hat er wörtlich gesagt!“

Das sei doch für einen Kriegsminister recht freundlich gedacht, riskierte ich eine Vorwärtsstrategie. Aber dem Herrn Gymnasiasten ging es gar nicht um militärische Fragen. „Von der Optimierung einmal abgesehen — ergibt eine Maximierung der Minimierung in Summe das gleiche Ergebnis wie eine Minimierung der Maximierung?“

Das Gemisch aus sprachlich gewagt eingesetzten Fremdworten und Mengenlehre ist mehr, als ein Familienvater am Abend eines langen Arbeitstages bewältigen kann. Aber der Herr Sohn war noch nicht fertig mit unserem Heeresminister: „Durch einige Adjektive ergeben sich noch zusätzliche Ausdrucksmöglichkeiten, etwa so: Eine optimale Maximierung, verbunden mit einer maximalen Optimierung der Bestrebungen zur maximalen Minimierung — klingt doch echt super, oder?“

„Du hat noch etwas vergessen!“ Ich beschloß, der einmal eingeschlagenen Strategie treu zu bleiben. „Nämlich Lichals maximale Optimierungs-Kompetenz zu einer dynamisch-effizienten Konkretisierung seiner individuellkritischen Finalisierungstendenz zu ontologisch-effizienten, maximal-optimalen Minirnierungsbe-strebungen...“

Aber noch ehe ich mein rhetorisches Feuerwerk zu einer fulminanten Klimax steigern konnte, fiel mir die Tochter ins Wort. Seit dem ungeplanten Feuerwerk eines brennenden Christbaums und ein paar Raketen zum Jahreswechsel macht sie offenbar eine massiv pyrophile Phase durch. „Lichal hat auch gesagt, den Flieger anzünden kann er selber nicht. Heißt das, daß er für diese Aufgabe jemanden sucht? Weil es doch, wie er gesagt hat, um eine staatspolitische Notwendigkeit geht.“

„Ich habe euch doch schon einmal gesagt, daß ihr das nicht so wörtlich nehmen dürft, was Politiker sagen.“ Nun war ich auf dem besten Weg, die Politikverdrossenheit der eigenen Kinder — zu maximieren oder zu optimieren. „Schaut euch unseren Bundeskanzler an, der ist doch ein Beispiel an sprachlicher Präzision!“

Jetzt muß ich ein paar Wochen lang zittern, daß mir der Kanzler in den Rücken fällt.

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