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Mißverständnisse

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In Lesebüchern konnte man einst Herbert Eisenreichs tatsächlich ausgezeichnete Geschichten finden, im Radio seinen preisgekrönten Hörspielen lauschen. Fünf Jahre nach seinem Tod indessen herrscht weitgehend Funkstille um ihn. Gut, daß da eine Monographie von Juliane Köhler seine „Ja-nusköpfige Welt” in Erinnerung ruft!

Die Kurzgeschichten des Schriftstellers werden dort - zu Recht im Mittelpunkt seines Werkes - nach allen Regeln poetologischer Kunst betrachtet; für interessierte Laien fehlt aber auch ein aufschlußreicher Abriß seines Lebens nicht. „Religiöse und philosophische Einflüsse” verweisen ebenso wie „Konservatismus” auf seine geistigen Wurzeln, ergänzt wird das Bild durch die Beschreibung der „Künstlerfreunde in Wien”, die zu den Größten der hiesigen Zunft zählen, zum Beispiel Heimito von Dode-rer, Friedrich Torberg, Milo Dor oder György Sebestyen. Doderer weist die Autorin dabei die Rolle des übermächtigen Vorbildes zu in Sachen Literaturästhetiken: en detail stimme die Eisenreichs mit der des fast dreißig Jahre Älteren überein.

In der Praxis dagegen, beim „Ge-schichtel-Erzählen”, sei Eisenreich durchaus „eigene literarische Wege” gegangen. Sie wurden bestimmt von der Überzeugung, daß Mißverständnisse die Grundstruktur eines doppeldeutig erfahrenen Lebens ausmache; demnach dominieren Antagonismen die Stoffe, Handlungen und Figuren. Gleichwohl „solle die Erinnerung an eine harmonische und einheitliche Welt” wachgehalten werden in der „ausgewogenen und stabilen Formgebung” der Kurzgeschichte. Ob solch „humanitärem Anspruch” durch „humanitäre Aktualität” genügt werden kann im postmodemen Umbruch zu pluralen Weltsicht, bleibt dahingestellt. Dies nimmt aber Herbert Eisenreich nicht seine wichtige Stimme im österreichischen Literaturgespräch.

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