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Mit der Landwehr wird es jetzt ernst

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Für die österreichische Sicherheitspolitik wurden mit Jahresanfang im militärstrategischen Bereich entscheidende Maßnahmen für die „raumgebundene“ und „mobile“ Landwehr gesetzt: Mit der Aufstellung der neu zu bildenden „Landwehrstammregimenter“ (LWSR) wurde begonnen. Es handelt sich dabei um Truppenkörper, die Führung, Ausbildung und im Verteidigungsfall die Mobilmachung für vier bis sechs raumgebundene oder mobile Bataillone durchführen.

Das LWSR ist im Frieden in mehrere sehr differenziert gegliederte Ausbildungskompanien geteilt, und deckt seinen Personalbedarf aus seiner unmittelbaren Umgebung. Geführt wird es von einem Oberst. Waffen, Uniformen, geländegängige Kraftfahrzeuge und das für die Ausbildung benötigte Gerät wird auch im LWSR gepflegt und instandgesetzt. Die meisten Kraftfahrzeuge werden allerdings im Wege des Militärleistungsgesetzes aufgebracht, das heißt, dem zivilen Eigentümer gegen eine angemessene Entschädigung für die Dauer der militärischen Verwendung entzogen.

Insgesamt soll mit diesen Maßnahmen die raumgebundene Landwehr, die etwa 40.000 Soldaten des derzeit 150.000 Mann starken Reserveheeres umfaßt, in den nächsten Jahren verdoppelt werden. Bis 1986 soll dieses Zwischenziel erreicht werden. Im Verteidigungsfall kann

die das gesamte Bundesgebiet abdeckende raumgebundene Landwehr jederzeit schwerpunktmäßig durch die Großverbände der Bereit-schäftstruppe mit ihren gepanzerten Fahrzeugen sowie durch die mobile Landwehr verstärkt werden.

Die mobile Landwehr besteht aus acht vollmotorisierten Jägerbrigaden mit jeweils mehr als 5000 Soldaten, die über eine beachtliche Anzahl von Unterstützungswaffen, darunter auch Artillerie und Jagdpanzer „Kürassier“, verfügen und in jedem Teil unseres Staatsgebietes eingesetzt werden können. In Oberösterreich ist dies die 4. Jägerbrigade, die nur zu einem Fünftel bereits aufgestellt ist.

Zur Durchführung des Verteidigungsmodells der „Raumverteidigung“ soll ein Reserveheer von mindestens 300.000 Mann erforderlich sein. Bis dahin ist aber noch ein weiter Weg.

Die Hauptelemente der Raumverteidigung sind

• die nachhaltige Verteidigung der Basis und der „Schlüsselzonen“ sowie

• die Raumsicherung im gesamten übrigen Staatsgebiet.

Schlüsselzonen liegen immer in der voraussichtlichen Hauptstoßrichtung eines möglichen Aggressors nach und über Österreich. Sie sperren damit die für einen Aggressor wichtigen Bewegungsmöglichkeiten durch Österreich. Eine solche Zone ist zum Beispiel das Donautal an sei-

nen engeren Stellen. Der zur Verfügung stehende Raum für weiträumige Feindbewegungen soll dort durch Gelände und künstliche Geländehindernisse stark eingeschränkt werden.

In der Schlüsselzone verteidigen raumgebundene Bataillone in „Schlüsselräumen“, während Kräfte der mechanisierten Bereitschaftstruppe Gegenangriffe gegen eingebrochene Feindkräfte führen. Leicht bewegliche Infanteriekräfte - sogenannte Jagdkampfeinheiten - führen im Zwischengelände der Schlüsselzone ihren kleinkriegsartigen Kampf gegen Versorgungs-, Führungs- und Verbindungskräfte eines Aggressors.

Durch dieses System von statisch verteidigenden, Jagdkampf führenden und Gegenangriff fahrenden Kompanien und Bataillonen in einer Schlüsselzone wird ein optimales Verteidigungsdispositiv bezogen. Mit dem entsprechenden Kräfteeinsatz - in dem oben erwähnten Donauraum werden es rund 20.000 bis 30.000 Mann sein müssen - kann trotz Luftüberlegenheit eines Aggressors eine nachhaltige Abwehr erzielt werden.

Für das Funktionieren dieses Modells ist allerdings entscheidend, daß genügend Zeit für das Beziehen der Verteidigungsstellungen und deren Ausbau zur Verfügung steht. Dieser Zeitraum muß mit rund einer Woche veranschlagt werden.

Die Schweiz verfügt für 10 Prozent der Zivilbevölkerung und 5 Prozent der Heeresstärke über unterirdische Spitalsbetten. Bis dahin ist für uns noch ein weiter Weg. Außerhalb von Schlüsselzonen und der Basis, die ebenfalls verteidigt werden soll, wird als zweite Komponente der Raumverteidigung die „Raumsicherung“ organisiert. Dies ist elri Kampfverfahren, das allein die Zielsetzung verfolgt, durch wachsenden Widerstand den Angreifer abzunützen. Hiezu werden leichte und hochbewegliche raumgebundene Jägerkräfte, bis auf Teile in Stärke von 30 bis 40 Mann zerlegt und aufgelockert bereitgehalten, um nach den jeweils gegebenen Möglichkeiten Feindteile anzugreifen und zumindest zu stören. Das Ziel ist die Vernichtung kleinerer Feindteile; dem Gefecht mit größeren Feindteilen wird ausgewichen.

Es verlangt also Einheiten, die in kleine Teile zerlegt werden, eine hohe infanteristische Ausbildung besitzen und deren Kommandanten auch auf unterster Ebene Entscheidungen treffen sollen, die sonst nur höheren Offizieren zustehen.

Aus bisher bestehenden Bataillonen geht im Augenblick die Umstrukturierung in 26 Landwehrstammregimenter vor sich. Im Verteidigungsfall führt ein LWST die in einer Schlüssel- oder Raumsicherungszone eingesetzten Kräfte. Vier weitere LWSR müssen noch aufgestellt werden. Die neu zu errichtenden Kasernen dafür sind Amstetten, Kirchdorf/Krems, St. Michael/Steiermark und Tamsweg.

Für viele Grundwehrdiener werden sich damit auch angenehme Seiten auftun. Mit Inbetriebnahme dieser Kasernen wird die Grundausbildung von Oberösterreichern und Steirern in „fremden“ Bundesländern eher die Ausnahme sein.

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