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Moliere

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An Samstagen erleben wir das Leben des Jean-Baptiste Poquelin, der sich Moliere nannte. An dieser Lebensgeschichte stimmt alles, außer der Tendenz. Es stimmen die Daten, die Kostüme, die Perücken, die

Möbel.

Aber es geht nicht an, der Mentalität des französischen Grand-Siěcle, des Zeitalters des großen Ludwig, den Maßstab der französischen Linken von heute anzulegen, einer Linken, die seit der Großen Revolution nicht etwa nur Geistlichkeit und Kirche kritisiert, sondern aus ihrem Haß gegen das Christentum, ja gegen jede Art von Religion kein Hehl macht.

Mit dieser speziellen Abart des antireligiösen Jakobinertums liegt der Kem des katholischen Volks im Kampf. Kein Wunder, daß die Empörung des Volks sich dann nicht nur gegen eindeutig häretische Theologen und anbiederungswütige jakobinische Priester richtet, sondern daß ein Lefebvre auch harmlose nachkonziliare Wichtigtuereien für die Folgen einer weltweiten Verschwörung hält, denn die Tendenz der französischen

Sprache zum eiskalten Pathos fördert einen Phrasendrusch bis ins Unerträgliche.

Die vom Drehbuch und von der Regie erzeugten Längen bestätigen nur allzu laut, daß Madame Mnouchkine in Wirklichkeit Mnjuschkin heißt und Russin ist. Ihr slawischer Haß macht ganz typischerweise vor dem

Sonnenkönig halt, denn schließlich wissen ja auch die Sowjets, was sie an ihrem großen Peter haben …

Ludwigs XIV. Genialität war es, Genies zu erkennen und an sich zu ziehen, was selbstverständlich mit barok- ken Lobeshymnen honoriert wurde. Und Moliěre, wahrscheinlich Frankreichs größter Dichter, durfte sich alles erlauben. Er durfte die Höflinge karikieren (die dem großen Ludwig nicht weniger auf die Nerven gingen), die Bauern, die reichgewordenen Bürger, die Emanzen, die Ärzte und selbstverständlich auch die gegenreformatorischen Heuchler.

Aber aus keinem Vers, aus keiner Prosazeile spricht Haß gegen das Christentum. Der blieb Madame Mnjuschkin Vorbehalten.

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