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Müssen Belgien und Frankreich die Last alleine tragen?

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Während 11er Aufruf des „Zaire-Komitees“, de- „Revolutionären Arbeiter-Liga“ upd anderer kommunistischer Organisationen zur Demonstration am Sonntag. Mittag auf dem Ro-gierplatz in Brüsseigegen das militärische Eingreifen von Belgien und Frankreich in Zaire von rund 1500 Personen befolgt wurde, und Belgiens Sozialisten noch über den tieferen Sinn der am Vortag veröffentlichten Mitteilung ihrer Parteizentrale nachdachten, worin die „rein militärische Operation“ der Franzosen scharf verurteilt wurde, weil sie die Sicherheit der in der Provinz Shaba verbleibenden Europäer in Gefahr bringe, hörten Journalisten und Politiker zur gleichen Zeit auf dem Brüsseler Flughafen Zaven-tem die ersten Augenzeugenberichte von rückgeführten Uberlebenden des blutigen Dramas von Kolwezi.

Für die Evakuierung der rund 3000 Europäer aus der Kupferbergwerkstadt Kolwezi im souveränen Staat Zaire hatte die belgische Regierung sich selbst eine Frist von 72 Stunden gesetzt. Hierfür hatte Ministerpräsident Tindemans und sein aus Ministern (zusammengesetzter Krisenstab eine Fülle von technischen und internationalen politischen Schwierigkeiten zu überwinden. Nach der geglückten Rückführung des allergrößten

Teils der Europäer aus Kolwezi traten Kammer und Senat am Montag zu einer Sondersitzung zusammen, um eine Regierungserklärung zum Ablauf der als „strikt humanitär“ deklarierten Operation in Zaire entgegenzunehmen. Die unter tumultartigen Umständen vorgetragene erste Stellungnahme der liberalen Opposition setzte die ersten Sturmzeichen für die am Dienstag begonnene Aussprache. Tindemans hatte in seiner Regierungserklärung enthüllt, Präsident Carter habe der Rettungsaktion unter der Bedingung zugestimmt, daß sie zeitlich begrenzt bleibe. Frankreich und Großbritannien hätten in Stuttgart Koordinationsbesprechungen mit Belgien geführt, und zahlreiche internationale Organisationen - von der UNO bis zum Roten Kreuz - hätten ihre Mitwirkung zugesagt.

Mit der Luftbrücke von Kolwezi nach Brüssel und Paris ist zwar der größte Teil der am meisten gefährdeten Europäer in Sicherheit gebracht worden. Doch hängt über dem Schicksal der nach tausenden zählenden. Europäer in der Provinz Shaba eine gefährliche Ungewißheit, solange die vorläufig verbleibenden französischen Fallschirmjäger und Fremdenlegionäre mit weiteren grausamen Uberfällen der von Angola aus gesteuer-

ten Terroristen rechnen müssen. Gewiß werden die französischsprechenden Länder Afrikas sich enger um Frankreich scharen, das in letzter Minute in Zaire eingegriffen hatte. Die Uberlebenden von Kolwezi haben sich dafür in aller Öffentlichkeit bedankt. Frankreich hatte getan, was es tun mußte. Belgien tat, was es auf Grund

seiner innenpolitisch so schwierigen Lage tun konnte. Uber den Ablauf der Operation hat es Kritik gegeben. Die Kritik daran wird noch lange Zeit anhalten. •

Die nicht direkt mit dem Schicksal Zaires verknüpften Nationen im freien Mitteleuropa, insbesondere die Staaten der Europäischen Gemeinschaft haben allen Grund, mit sich selbst zu Rat zu gehen. Das Verhältnis Europas zu Afrika muß sehr bald in die richtigen Dimensionen gebracht werden, soll Europa kein stranguliertes Opfer roter Neo-Kolonialisten werden, die von Afrika aus bestimmen, wie es sich in der Welt verhalten muß.

Noch ist nicht abzusehen, welche Ausweitungen die bisher begrenzte Operation in jeder Hinsicht haben wird. An den europäischen Regierungen, an der Europäischen Gemeinschaft wird die bittere Erkenntnis der wahren Entwicklung in bestimmten Teilen Afrikas nicht im verwaltungsmäßigen Ablageverfahren vorbeiziehen dürfen: Für die gespaltene Moral gegenüber den „Befreiungsbewegungen“ ist seit Kolwezi kein Platz mehr.

Beschämend bleibt die schweigende Abstinenz mancher westeuropäischer Staaten. Müssen Frankreich und Belgien die Last alleine tragen?

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