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Muttermythos

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Offensichtlich ist - und das wurde anhand des Fernsehprogramms vom Muttertag noch offensichtlicher -, daß das Bewußtsein der TV-Macher hinter dem der Bücherschreiber nachhinkt.

Sind nämlich in den letzten Jahren en masse Bücher erschienen, die sich kritisch mit dem Begriff der „Mütterlichkeit“ - in diesem Zusammenhang wird auch vom „Muttermythos“ gesprochen - auseinandersetzen, die etwa das Sohn-Mutter- oder das Tochter-Mutter-Verhältnis psychoanalytisch untersuchen, so liefert das Fernsehen ein Muttertagsbegleitprogramm wie üblich in Art eines Melodrams.

Schon am frühen Nachmittag erfuhr man, daß eine amerikanische Hausfrau ihre Familie mit hektischer Naivität begeistert (15 Uhr, FS 1, mit Doris Day), zur Mitte des Nachmittags wurde man Zeuge der Problematik eines mittelalterlichen Ehepaares angesichts einer überraschenden Schwangerschaft (Die Entscheidung, 17.15 Uhr, FS 2), und am Abend erlebten wir das Gegenteil, wie nämlich zu junge Eltern mit dem zu frühen Kind nicht fertig wurden (Ma Mie Rose, 20.15 Uhr, FS I). Welches Alter ist richtig für die Mutterschaft? Wenn man das nur wüßte.

Müttern gebührt gewiß Dank, nicht nur der Familie, sondern auch der Gesellschaft, guten Müttern, versteht sich. Auch wenn immer wieder gesagt wird - auch ich sage es -, daß Dank nicht gefordert, umgekehrt Dankbarkeit nicht künstlich erzeugt werden kann.

Die Mütter meiner Generation sind geneigt, auf die Sentimentalität des Muttertags zu verzichten.

Der Muttertag aber scheint eine wichtige Einrichtung für die sonst Zu-kurz-Kommenden zu sein, vor allem die Großmütter, die als nimmermüde, unbedankte Kinderaufzieher, Kinderhüter, Kindertröster das übrige Jahr über leer ausgehen. Ein Großmuttertag also!

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