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Nach Zirkusart

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Popig-frech nach „Grand-Magic-Circus“-Art geben sich im Theater an der Wien die alten Göttinnen und Siegfried, platinblond und schick zu-rechtgeschniegelt, als müßte er im Casino de Paris paradieren, Göttin Freia auf dem Tigerfell, ein Show-iäaUaus,- Mini-Hollywood, Brunhild, eine harte Rockerbraut in Schwarz, die mit dem Messer an Burgunds Königshof aufräumt, dazu Riesen, Zwerge und ein goldenes Loch-Ness-Ungeheuer... Sie alle twisten, rok-ken und wirbeln durchs Naschmarkt-Rheinland, daß die Hüter deutscher Sagenschätze, die Brüder Grimm, vor Entsetzen erblassen würden. Denn der junge Kärntner Choreograph Hans Kresnik, zur Zeit skandalumwitterter Ballettchef in Bremen, hat die „Nibelungen“ in Readers-Digest-Manier so zurechtgestutzt, daß sie sich nun als 90mi-nütiger Zirkus mit ausgiebigen Hun-nenschläohtereien präsentieren.

Ein recht zwiespältiges Produkt also, was Kresnik hier als Monstertanztheater verkauft: Zwar mangelt es ihm nicht an originellen Ideen, an Mut, mit gängigen Ballett-Klischees aufzuräumen. Aber sein peinlicher Hang zum Monströsen, zur oberflächlichen Persiflage erschlägt alle Einfälle; er häuft auf der Bühne, was nur irgendwie nach Gag riecht. Und entfacht einen Requisitenzirkus, der auch dann noch empfindlich stört, wenn man einkalkuliert, daß es sieh weniger um Ballett und Choreographie als vielmehr um choreographisches Theater handelt, in dem alle Stilelemente denkbar sind.

Daß Kresnik mit seiner choreographischen Routine, aber mit mehr gestalterischer Zucht, mehr geschmacklicher Disziplin und Konzentration sehr wohl ein beklemmend dramatisches „Nibelungen“-Ballett schaffen könnte, ist keine Frage. Nur müßte er sich von all den modisch-verkrampften Spielereien seines Requisitentheaters (Ausstattung: Marietta Eggmann) trennen und seine Manie eindämmen, wahllos Stilelemente aller Zeiten und Kulturkreise in Tanz und Musik zu mischen. So ist Kresniks Arbeit nämlich ein allzu modisches Beispiel dafür, was der moderne Assozia-tionswahn, das Spiel, alles mit allem zu kombinieren, an Möglichkeiten zerstört. Und vor allem müßte er aus der Riesenhandlung, für die Wagner — bereits in vereinfachter Form — an die 25 Stunden braucht und die Kresnik beinahe komplett in 90 Minuten absolviert, wesentliche Momente auswählen.

Positiv an dieser Produktion, daß Milan Hatala (Siegfried) als Solist wieder an der Wien auftritt. Ein imponierender junger Tänzer, der endlich große Aufgaben braucht. Eva Dvorska (Kriemhild) und Ursula Membrey (Brunhild), Lothar Hammes (Gunther), Rudolf Brom (Hagen), Hans Holyst (Alberich) und andere haben endlich wieder Aufgaben, die sie mit viel Engagement und technischen Ansprüchen gestalten müssen. Was für sie wie für das Ensemble lebenswichtig ist.

Daß Alois Mitterhubers „Hamlet“-Choreographie (Musik: Boris Blacher, Buch: Tatjana Gsovsky) nicht zur Gänze in lähmender Langeweile steckenblieb, war ebenfalls dem Ensemble zu danken: Vor allem Ivan Jakus in der Titelrolle, der die Zwangssituation des Dänenprinzen tänzerisch intensiv darstellt. Optisch enttäuschend, weil allzu bieder-einfältig die Schwarzweißausstattung Lothar Meilers.

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