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Nasenbohrer

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Wer in den letzten Monaten die aufgeregten Kommentare und Diskussionen in deutschen und österreichischen Zeitungen über eine neue Femseh-Show verfolgt hat, bei dem mußte der Verdacht auf kommen, daß wir eine große deutschsprachige Kulturnation von Nasenbohrern sind.

Schließlich gab es kaum ein wichtigeres und aufregenderes Thema als die ungeklärte Frage, ob Frank Elstner nun die Nase vorn oder hinten hat. Ob er sie zu hoch trägt oder ob er sie zu Unrecht zu tief in unser bieder treudeutsches Familienleben am Samstagabend steckt.

Seit letztem Samstag wissen wir es: Elstner ist wieder oben, die Nase hat er wieder vom, und das Gröbste an Undank hat er hinter sich. Was er bis dahin unter sich gelassen hat, als es mehrmals in die Hose ging — Schwamm drüber!

Aber was uns bleibt und weiter in die Nase sticht, das ist die tiefe medien-mensch- liche Sorge um den Samstagabend im Fernsehen. Diese Sendezeit — zumindest vom Auslaufen des Badewassers bis zum Gute-Nacht-Bussi für die lieben Kleinen und zum Einnicken der lieben Senioren. In dieser Zeit nämlich ist ,Familienleben angesagt“.

Der Samstagabend ist die Schreckenszeit für alle Fem- sehunterhalter, die Traumzeit für jeden schon erfolgreichen Showmaster und der Angsttraum für jeden, der es werden will.

Einigkeit macht eben stark und jeden krank, der von der Oma bis zum Enkerl alle Altersgruppen, alle sozialen Schichten und darin enthaltenen Geschmacksrichtungen und Intelligenzschichten ansprechen und amüsieren soll.

Um dieses höchste Ziel familienpolitischen Kulturschaffens zu erreichen, braucht man eine Show, in der für jeden etwas „Tolles“ dabei ist.

Der Maßstab für den untersten musikalischen Mittelwert ist mit dem Musikantenstadl des ORF bereits vorgegeben. Für die Ausstattung gilt der allgemeingültige Grundsatz des Wohlstandsbürgers: aufwendig

und doch geschmacklos. Unerläßlich für ein Kulturvolk ist Bildungsprotzerei. Darum müssen Quizspiele für anspruchsvolle Analphabeten gefunden werden.

Den Rest muß der Quizmaster menschlich „rüberbringen“ — möglichst mit Hilfe von .jPrommis“. Diese dürfen zwar bedeutend, exzentrisch oder gar exotisch sein, aber nie kritisch oder gar aggressiv, sondern immer nett, friedlich und harmonisch.

Aber nach 22 Uhr darf es dann natürlich in allen Fernsehprogrammen mit Sex und Crime, Kampf und Brutalität wieder zugehen wie im wirklichen Femsehleben.

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