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Neo-Romantik

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Was man an einem DDR-Drama- tiker in der Brecht-Nachfolge wie Hartmut Lange (geboren 1937) noch vor kurzem als Erkenntnisvor- sprung bereitwillig in der BRD be- lobt und in jeder Hinsicht gefördert hat, dürfte sich nun allmählich als Nachholbedarf an Wirklichkeits- sinn herausstellen. Allein mit der Herr-Knecht-Motorik kann man das Weltgetriebe weder auf die Dauer betreiben noch erklären.

In diesem Umlernprozeß, den so manche Intellektuelle des Westens nun noch vor sich haben, sind die aus der DDR emigrierten Autoren wie Hartmut Lange schon rüstig und erfolgreich vorangeschritten: Keine Stalin-Trotzky-Antinomien mehr! Statt dessen eine „Raumer- zählung" vom Wattmeer, von einer Nebelwelt, aus der sich aber das Drama zweier Menschen in plasti- schen Konturen abhebt, eine per- fekt komponierte Novelle, bei der Heinrich von Kleist und der späte- ste Theodor Storm Pate gestanden sind. Denn unbeantwortbare Ge- heimnisse sind wieder gefragt. Eine Unbekannte X wird zur Achse der Erzählung, um die sich das tragi- sche Paar dreht: ein nazistischer Buchhändler und sein Opfer, eine zwischen Mißmut und Resignation hilflos verblühende junge Frau.

Dabei wird man - aller sprachli- chen und deskriptiven Qualität zum Trotz - das Gefühl des Leerlaufs nicht los. Denn woher soll diese Neo-Romantik, die es sich verbie- ten muß bei Mythen, beim Okkul- tismus oder in religiösen Traditio- nen Anleihen zu machen, das sym- bolisierbare Geheimnis hervorzau- bern? In dem zwielichtig kranken Bewußtsein des Buchhändlers ist Chimäre von Symbol nicht mehr unterscheidbar.

DIE WATT-WANDERUNG. Von Hartmut Lange. Diogenes Verlag, Zürich 1990.125Seiten, öS 209,-.

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