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Neues Wohnen im Alter

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Bei meinen Bemühungen, in Niederösterreich für ältere Menschen eine lebenswerte Umgebung und einen lebenswerten Wohn^ und Lebensbereich zu schaffen, treten in den letzten Jahren immer größere Fragen auf.

Ein Beispiel dafür: Wir haben seit 1974 mit dem Sozialhilfegesetz zahlreiche Alten- und Pflegeheime gebaut, so- daß wir jetzt mehr als 8000 Plätze haben (gegenüber nicht ganz 3000 in der Zeit vor 1974). ^

Und nun große Enttäuschung: Die Nachfrage ist bis vor zwei Jahren nicht geringer geworden, sondern größer. Ein großer Teil der Betroffenen meint jedoch: „Danke, daß Ihr Euch so viel Mühe nehmt, aber zu Hause wäre es mir lieber!“

Das ist also die große Frage, ob man die Leute in eine Ordnung zwingen soll, die sie nie im Leben kennengelernt haben.

Wir haben nun nach einer längeren politischen Auseinandersetzung begonnen, sozialmedizinische Betreuungsdienste aufzubauen, die Hauskrankenpflege, Heimhilfe, Familienhilfe, Nachbarschaftshilfe umfassen.

Und nun stellt sich heraus, daß ein großer Teil der Hilfe, die wir bieten müßten, gar nicht nur die soziale oder die medizinische Hilfe ist. Vielfach wird reine Hauserhaltungshilfe gebraucht. Wir müßten also jetzt für Hausreinigen, Hausinstandsetzung eine eigene Brigade einsetzen.

Da stellt sich nun konkret die Frage: Gibt es da nicht noch etwas anderes als Pflegeheim und Altenheim, gibt es da nicht unter Umständen eine Möglichkeit, daß wir in unseren kleineren und mittleren Gemeinden nicht das Altenheim als einzige Lösung anbieten, sondern Altenwohnungen, die in viel geringerer Anzahl sein könnten als im Altenheim. Denn unter 100 oder 120 Betten ist ein Altenheim in der derzeitigen Form nicht ökonomisch zu führen.

Ich habe in meiner Gemeinde bei 3000 Einwohnern festgestellt, daß etwa vier bis fünf Personen sofort bereit wären, ihr großes Haus, in dem sie allein übrig geblieben sind, zu verlassen. Sie würden durchaus gern mitten im Zen

in der Gemeinschaft sind. Dort könnten sie dann in einer kleineren Wohnung, die sie selber ausstatten können, leben. Gleichzeitig würde die Pflege des Hauses für sie wegfallen.

In Hollabrunn, wo wir ein solches Altenwohnheim gebaut haben, haben wir die Erfahrung gemacht, daß diese Lösung viel begehrter war als die Altenheime. Im Wohnheim sind die Leute mit ihren gesamten Möbeln eingezogen und mußten sich selber das Essen machen. Dies hat sich besser bewährt, trotz vieler Probleme, die dabei auch entstanden sind.

Daher stellt sich die Frage, ob es neben Pflegeheim, neben Altenheim nicht noch etwas geben könnte, wo die älteren Bewohner nur von mobilen sozialmedizinischen Betreuungsdiensten versorgt werden müssen. Damit wäre eine bessere Auslastung für unsere Dienste gegeben. Es käme auch nicht mehr dazu, daß ältere Leute ihre gewohnte Umgebung verlassen müssen, nur weil ihnen die Belastung „Haus“ zu groß geworden ist.

Zum Abschluß sei noch auf eine Detailfrage, die uns ebenfalls zu schaffen macht, hingewiesen: Es ist sicher so, daß ein großer Teil der Altenheimbewohner - ich schätze ihn auf etwa 60% - nicht mehr zur Führung eines eigenen Haushaltes fähig ist. Aber die restlichen 40 Prozent sind noch sehr wohl dazu imstande.

Ob es da wohl die glücklichste Lösung ist, daß wir diesen Personenkreis wie Pensionatszöglinge vom Frühstückstisch bis zum Abendessen ständig verköstigen, um dann noch durch Animateure dazu beitragen zu müssen, daß sie sich auch unterhalten können? Ob wir da nicht Überlegungen anstellen könnten, wie wir diesbezüglich zu einem lebenswerteren Wohnen im Altenheim kommen?

Aus Informationen Nr. 16/81 (Diskussionsblattzu Altenfragen)

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