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Ohne Glaube keine Barmherzigkeit

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Der russische Schriftsteller Daniii Granin beschreibt als Augenzeuge nicht nur die Not Rußlands, sondern auch seinen konkreten Versuch, sie zu lindern. Noch vor der Perestrojka gründet der Atheist Granin im damaligen Leningrad seine Gesellschaft der Barmherzigkeit. Mit wenigen Strichen entstehen vor unseren Augen Menschen und Ideen, die Mitgefühl für das Elend ihrer Mitmenschen in Taten umsetzen, aber auch mißbraucht werden.

Er schreibt die Geschichte dieser Bewegung, was sie alles vollbringen kann, ohne eine Institution oder Behörde zu werden. Spannend erzählt er, wie er Parteiführer, bis hinauf zu Gorbatschow für seine Idee gewinnen kann. Der Autor ist Pragmatiker genug, um auch über die Grenzen eines praktischen Humanismus und die Zweischneidigkeit caritativer Werke und ausländischer Hilfsaktionen nachzudenken.

Er zeigt auch, daß es in der Partei keinen Platz für das geringste Gefühl des Mitleids und der Hilfe gab, und diese Entmenschlichung sich über die Gremien der Behörden bis in das Bewußtsein des russischen Volkes niederschlug. Und doch fand er immer neuen Widerhall in vielen einzelnen Menschen. Schließlich muß er sich eingestehen, daß die Handlungen aus Motiven der Barmherzigkeit mit dem Verlust des Glaubens abhanden gekommen sind.

Der Autor legt uns hier ein ergreifendes Buch vor, das auch uns im Westen daran erinnert, „daß ein Volk ohne Barmherzigkeit kein normales Volk sein kann”.

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