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Ohne Ikonen

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Von Zar Boris, wie wir ihn an der Wiener Staatsoper bisher kannten, muß man Abschied nehmen. Claudio Abbado brachte - als einzige Premiere der Saison und zum Gedenken an den weltberühmten russischen Filmregisseur Andrej Tarkowskij - dessen Londoner „Boris"-Inszenierung nach Wien. Und gemeinsam mit Stephen Lawless, Tarkowskijs früherem Assistenten, dem Ausstatter Nicolas Dvi-goubsky und dem Lichtdesigner Robert Bryan rekonstruierte er diese acht Jahre alte Produktion, die Rims-ki-Korsakows Historiendrama „Boris" eine gründliche Absage erteilt.

Tarkowskij geht aufs Ganze: Er schärft Mussorgskis Volksdrama zum Polit-Stück, zum Machtkampf zwischen einem Diktator und seiner Soldateska gegen Volk, Revolutionshorden und ausländische Agitatoren. Statt der prächtigen Ikonen, üppigen Palastsäle und Parkanlagen von Sendo-mir führt er in eine labile Welt des Machtkampfes, von Licht und Schatten, greller Darstellung politischer Macht und Dunkelheit, in der die Namenlosen vegetieren.

Abbado dirigiert Mussorgski scharf, voll Kanten und aufregenden Brüchen. Und sein Sängerensemble fügt sich genau ins Konzept: Robert Lloyd als seelisch labiler Zar Boris, Marjana Lipovsek als machtgieriger, verführerisch schön singende polnische Marina, Emil Ivanov als heldischer Dimitri, Kurt Rydl als würdevoller Mönch Pimen, Heinz Zednik als hinterhältiger Fürst Schuiski. Eine Sehens- und hörenswerte Produktion. Auch wenn manchem Opernbesucher der prunkvolle Historienkoloß sympathischer war.

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