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Operette - kritisch verpackt

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Sie recken die geballten Fäuste dem Publikum ins Gesicht, sie knallen mit Revolvern den staunenden Kleinbürgern „eine vor den Latz”. Sie posieren im großen Revolutionssturmbild des sozialistischen Realismus. Und im Hintergrund werden Hammer und Sichel geschwungen. Manches sieht nach Danton, Französischer Revolution und Pariser Commune aus. Hochpolitisches Theater? Linksradikale Agitation? Durchaus nicht. Es ist nur eine bescheidene, sonst sehr liebenswerte Operette, Mülöckers „Gasparone”, der der Regisseur und Bühnenbildner Harald Benesch politischen Zuschnitt verpaßt hat. Das Raimundtheater schwenkt damit auf einen neuen Kurs: Operette kritisch.

Keine Frage, daß das Anliegen des neuen Raimundtheaterchefs Herbert Mogg seine Bedeutung hat. Operette - wie bisher - weiterhin in himmelblau und rosarot aufgeputzter Wallgassenlieblichkeit ist sinnlos. Wenn das Raimundtheater auf lange Sicht überleben will, muß es sich des jungen Publikums versichern. Und dieses kommt wohl nur, wenn das Operettenspektakel einen mehr sensationellen Anstrich bekommt. Wenn hinter den Operetteng’schichten eine gewisse (wenn auch bescheidene) Logik, eine gewisse (noch bescheidenere) Aktualität spürbar wird.

Ich finde das alles richtig. Der Weg stimmt. Nur muß man ja nicht gleich einen harmlosen Millöcker zum großen Revolutionstheater hochstilisieren. Denn da stimmt’s dann erst recht nicht: etwa wenn die romantische Räubergeschichte zur Agitationsstoiy wird, wenn die gräflich-sizilianische Gesellschaft zum wahren Diebspack degradiert und das sizilianische Lumpengesindel zu revolutionären Helden lizitiert wird. Denn dieses muntere Operettenvölkchen treibt’s ja ganz lustig: Im Namen des Räuberkönigs Gasparone, der sich um sie nicht eimal kümmert, treihgn sie Schmuggel. Und selbst der ehrenwerte Conte Erminio bewahrt seine schöne Gräfin Carlotta vor Erbschleichern, indem er, selbst als Gasparone verkleidet, ihr eine Million raubt.

Benesch hat das alles sehr zappelig und nervös inszeniert. Das Getrippel und Getrampel nimmt kein Ende. Aber es ist nicht einmal genug präzise; der Turbulenz fehlt das perfekte Abschnurren. Gar nicht zu reden vom Operettencharme, von dem Benesch wirklich keinen Hauch vermittelt.

Imponierend macht sich der frische Wind im Haus allerdings im musikalischen Bereich bemerkbar: Herbert Mogg führt sein neues Ensemble temperamentvoll und mit Gefühl. Das Orchester klingt wie ausgewechselt. Und ein paar neue Namen sollte man sich vormerken: Vor allem Patricia Barham (Sora) und Albert Khadjesari (Benozzo), ein flottes Buffopaar. Fofi Sarantopoulou (Gräfin), Werner Mann (Podesta), Hans-Karl Pilz (Sohn), Rainer Buese (Erminio) und Inge Karsten (Zenobia) gefallen.

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