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Ost-West-Symbiose

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Seit der Romantik war es eine bis zu Stefan George wirksame Zielvorstellung, die drei Kulturen, die griechischrömische, die abendländische und die orientalische zu vereinigen. Und nun, ohne daß der Autor eine solche Absicht bewußt verfolgt hätte, liegt ein lyrisches Lebenswerk vor, in dem Ost und West, als wären sie das Spiel- und das Standbein eines Körpers, zur unlösbaren Einheit und zur Voraussetzung von dessen geistig überraschender Beweglichkeit geworden sind.

Hinter dieser Einheit steht das Doppelleben des Neffen des gestürzten Schahs, des persischen Prinzen Cyrus Atabay, der schon als Kind nach Berlin kam und erst später seine Muttersprache neu erlernte. Wie die andalusische Volkspoesie so ist auch die persische von einer animistischen Kraft durchdrungen, welche die Dinge und Wesenheiten der Natur unmittelbar verlebendigt, ohne daß auf surrealistische oder absurde Theorien der Literatur zurückgegriffen werden müßte. Das Späte des Abendlandes erquickt sich in Cyrus Atabays Gedichten an der urtümlichen Erlebnisfrische des Orients: „Wir wohnten im Mondweg / und das Heimchen war die Sanduhr / unserer Nächte."

In einer Phase, da europäisches Zivilisationsgut die Welt uniformiert, Europa selber seinen Wesenskern in Frage stellt, ist ein solches Werk, der Batlanceakt eines großen persischen Künstlers in deutscher Sprache, zugleich auch eine Erziehung zu einem neuen, globalen Empfinden.

CYRUS ATABAY. GEDICHTE. Insel Verlag, Frankfurt/Main 1991. 287 Seiten, öS 280,80.

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