Er habe genügend Chemikalien in seiner Dunkelkammer, um alle St. Jakober zu vergiften, meinte der Defregger Fotograf Josef Ladstät-ter (1845 - 192 5) oft im Scherz. Tatsächlich hat er sie, statt sie in die Ewigkeit zu befördern, auf seinen Platten verewigt.
Der Tischler, Bauer und Familienvater Ladstätter widmete sich seit 1879 der Kunst, „mit Licht zu zeichnen" und lieferte die ersten Aufnahmen aus dem Tal, das im heutigen Osttirol liegt. Während die städtischen Fotografen durch Landschaftskulissen im Atelier die freie Natur vortäuschten, machte der Autodidakt aus St. Jakob fast nur Freilichtaufnahmen.
Der Kunsthistoriker Heinz Kröll hat aus dreihundert erhaltenen Aufnahmen die interessantesten für das vorliegende Album ausgewählt und mit einem informativen, ausführlichen Text versehen. Der „Kofler Sepp" erweist sich als ausgezeichneter Porträtist und hält vier Generationen von Defreggern fest. Die Frauen zeigen sich im alten „Defregger Gwandtl", die „Foscht-geher", das heißt jene, die „fort gingen", im vornehmen städtischen Gewand. Höfe und Weiler, die schwere bäuerliche Arbeit, Hochzeiten, Brautleute, Kinder mit dem Ernst kleiner Erwachsener treten in Erscheinung.
Der sozial- und kunstgeschichtliche Wert der vierzigjährigen fotografischen Tätigkeit Ladstätters ist nicht hoch genug einzuschätzen.
ST. JAKOB IN DEFREGGEN. Tal und Leute um 1900. Das fotographische Werk des Josef Ladstätter. Herausgegeben von Heinz Kröll. Verlag Christian Brandstätter, Wien 1989. 128 Seiten, 189 Abbildungen, öS 390,-.