WAS EIN PROTEST ATTESTIERT
Stellst dem Kohout keinen Paß aus?
Willst ihn nicht inmitten Passaus?
Europäisch sein ist schwer: Böhmen, ach, du liegst am Meer!
Nicht wahr, die jüngeren Leute erzählen einander heutzutage nur selten irgendwelche Schnurren, Witze oder Anekdoten. Das war nicht immer so. Es gab Jünglinge und junge Frauen, die mit ihren wahren oder erfundenen Geschichten ihre Gesellschaften gerne unterhielten.
Wohin ist die Lust an der Anekdote verschwunden?
Es könnte sein, daß auch die Anekdote dem Telefon zum Opfer gefallen ist, genauso wie das Briefeschreiben. Man hat sich angewöhnt, einander über das Notwendigste zu unterrichten und dabei auf die stilistische Zuspitzung der Information keinen Wert zu legen.
Vielleicht hängt der Untergang der Anekdote mit dem Vordringen einer gewissen Art von Sachlichkeit zusammen. Man glaubt den Spezialisten mehr als der eigenen natürlichen Menschenkenntnis. Wenn man einen Inhalt zum Ausdruck bringen will, bedient man sich einer Fachsprache und läßt die gleichnishafte Darstellung lieber beiseite.
Ist es besser so? Das Interesse an Anekdotenbüchern und Witz-Sammlungen scheint in die entgegengesetzte Richtung zu deuten. Vielleicht kehren die Kürzestgeschichten zurück: bei abnehmendem Leistungsdruck. bei zunehmender Freizeit, bei ansteigender Lust am Erzählen. Wie lange läßt sich aber das alte und fündige Anekdoten-Repertoire aufbewahren? GS
