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Porträt einer Schauspielerin

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Richters „Flucht nach Abanon" spielt in München, und für den Münchner ist unverkennbar, daß die darin porträtierte Schauspielerin ohne Namen, mit der der Autor im selben Hause wohnte, Gertrud Kückelmann ist, die zu Beginn des vergangenen Jahres aus dem Leben schied.

Stets umgibt ein Hauch Ver-sponnenheit die Schauspielerin, doch der Blick des Schriftstellers dringt immer tiefer in die Psyche der Gesprächspartnerin. Er erinnert sich einer Rolle, in der er sie auf der Bühne erlebte: „nicht existent und doch existierend, eine Frau ohne Körperlichkeit, ohne Verbindung zum Leben vielleicht", und er fragt sich, warum in den Gesprächen sich immer wieder plötzlich eine Wand zwischen sie schiebt. Hat er recht, wenn er sie in einer ständigen Fluchtsituation wähnt?

Der Mensch in einer beziehungslosen Welt - Richter hat ihn in dem Porträt seiner namenlosen Schauspielerin gestaltet. Die Erhöhung der Wirklichkeit zu einer gültigen Wahrheit, die Sparsamkeit des andeutenden Erzählens, der Verzicht auf jeden Schnörkel, die Kunst der Einfachheit, die feine Nuancierung der Sprachtöne, das behutsame Eindringen in die Seele eines anderen Menschen - all dies schafft ein Stück reiner Literatur.

DIE FLUCHT NACH ABANON. Erzählung. Von Hans Werner Richter. Nymphen-burger Verlagsbuchhandlung, München 1980. Etwa 160 S. Ln., öS 154,40.

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