An dem Schriftsteller und Lyriker Georg Bydlinkski (geboren 1956) ist vieles erstaunlich. Der gemeinsame Nenner seiner Ungewöhnlichkeiten ist vielleicht in dem zu suchen, was er selber als „gezügelten Ausbruch" beschreibt. Gezügelt insofern, als ihm, dem Vater einer Großfamilie, die verantwortungsvolle Betreuungsarbeit in und an ihr zum Quell poetischer Motive zu werden vermag. Familie bedeutet hier nicht ein freu-dianisches Spannungsfeld. Im Gedicht wird sie zum generationsübergreifen-den Organ, um Wirklichkeit pluralistisch wahrzunehmen, was dem Soli-tär häufig versagt bleiben muß. Also praktizierende Poesie eines Vaters, aber auch der Versuch, die ihm noch verbleibenden Zwischenräume im Lattenzaun der Lebensordnung mit seinem eigenen höchst individuellen Grün zu besiedeln.
Dank solchem „gezügelten Ausbruch" wird Bydlinski zum praktizierenden Poeten, der seinem Leser zarte Winke gibt, wie man in der Alltagswirklichkeit vom Wohnblock bis zum Summen des Kühlschranks neue Gefühlsdimensionen zu erschließen vermag. Zu seinen wichtigsten künstlerischen Prinzipien gehört es, stilistisch nicht vorprogrammiert zu sein. Daher steht ihm die Wirklichkeit weit offen. Er holt sie ins Gedicht: ob Zivilisation oder Barfußweg am Stadtrand. Und dies alles ohne jede manie-ristische Gesuchtheit, die ja immer nur dann auftritt, wenn man zuviel Worte verliert.
Wenn etwas an übler modischer „Zeitgeistigkeit" in diesen Band hineingerutscht ist, dann betrifft das nicht den Text, sondern die Vergeudungsaufmachung, mit der auch die knap-pesten satirischen Aphorismen eine ganze Buchseite beanspruchen: „Wenn der Mercedesstern verglüht, freut sich der Wald und mein Gemüt", freut sich eine ganze leere Seite lang bis zur Papierpest, die den Wald verrecken läßt. Aber so weit reicht der Blick noch nicht.
IM HALBLICHT. Gedichte und Aufzeichnungen vonGeorg Bydlinski. Herder Verlag, Wien 1991.88 Seiten. öS 140,-.
