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Provinziell

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Karl Sonnleitner, Sohn der Provinzkleinstadt Bruck an der Mur, kommt nach Wien, wo er noch während des Studiums an der Akademie seine Freundin zu würgen beginnt. Er endet vorläufig am Steinhof. Warum? Der Titel verrät es schon: Weil niemand ihm die Zärtlichkeit entgegengebracht hat, die er als Heranwachsender verdient. Tyrannischer Vater, dümmliche Mutter, ungerechte Lehrer - wie gehabt. Es geht um die Einsamkeit eines Kleinstadtgeschädigten, um die Abrechnung mit der grausamen Umwelt. Daß der Versuch, „sich am Eis zu wärmen", von dem Jungen gar nicht unternommen wird, stört diesen wenig.

Was entstand, ist ein Buch, aber keine Literatur. Der Mangel an einseitiger Selbstdarstellung wird von manchen noch als „der ungebrochene beschreibende Stil schlechthin" gerühmt, der der sozialen Wahrheit gerade durch diese unreflektierte Direktbeschreibung am nächsten kommt. Mir scheint diese Art von banalem Naturalismus eher dem Dreigroschenheimatroman verwandt.

Dieses Buch ist ein Betroffenheitsbericht im banalen Aufsatzdeutsch eines Mittelschülers. Ungenierte Klischees und peinliche Stehgreifstilblüten. Nicht nur dort, wo dies die Sprache der Kleinstadttypen im Originalton betrifft und dies als „künstlerisches Mittel" sehr eindringlich wirkt, sondern auch im Text, der vom Autor stammt. Das Lektorat, das dieses Manuskript ungehindert passieren ließ, hat Naturalismus mit Provinzialismus verwechselt. ,

„VERSUCH SICH AM EIS ZU WÄRMEN". Von Hans Trümmer, Verlag Hoffmann und Campe 1979, 292 Seiten, öS 218,40.

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