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Revolutionen

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Den Deutschen wird ein recht eigentümliches Verhältnis zur Revolution nachgejagt. Von diesem Volk geborener Untertanen geht das Wahrwort, daß sie erst Bahnsteigkarten lösen, wenn sie zur Revolution reisten. Fürwahr, ein gewichtiger Versuch, dem Klischee die historische Wahrheit entgegenzusetzen. Artur Müller ordnet diesem Unterfangen die Methode der Chronologie zu; er schreibt ein Tagebuch der Geschichte von Revolutionen, Aufständen und Staatsstreichversuchen. Aber er muß nicht die Stedinger Bauern des 13. Jahrhunderts bemühen, um nachzuweisen, daß auch im Deutschen das europäisch-abendländische Feuer aus Gerechtigkeit und Freiheitsdrang schlummert. Die Deutschen waren nie angenehme Untertanen — eine Erkenntnis, die auch fünf Jahrhunderten Habsburgerherrschaft unter der Krone Karls des Großen widerfuhr.

Müller zeichnet aber auch chronologisch die Entwicklung der Jahre von 1848 über 1918 bis zum Stauffen-berg-Attentat 1944.

Der deutsche Untertan: ist sein Mythos am Ende zerstört? Die Historiker haben diesen Mythos nie gezeichnet. Er stammt aus der Trivialität der zeitgenössischen Unzufriedenheit. Was nämlich das eigentliche Problem ist, schneidet Müller nur am Rande an: die Schwierigkeit, deutsche Revolutionen den Deutschen auch verständlich zu machen. Die sogenannte Intelligentsia ist in diesem Land stets isoliert gewesen — schon im Vormärz, dann im Grunde auch 1918 — zuletzt auch heute, da Rote Zellen in Berlin und Frankfurt meinen, die jüngsten Re^-volutionäre zu sein.

DIE DEUTSCHEN, IHRE KLASSENKÄMPFE, AUFSTÄNDE, STAATSSTREICHE UND REVOLUTIONEN. Von Artur Müller, Verlag Kurt Desch, 411 Seiten, DM 29.50.

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