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Rote Girls gegen Fabelwesen

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Chinas Opernensembles im heftigsten Politkampf. Wer hätte das gedacht, daß sie einander die Entscheidungsschlacht statt am Yangtsekiang gerade an der schönen blauen Donau liefern würden — sie, Maos theatralische Sendboten, die stählernen Ruck-Zuck-Girls der „Roten Frauenkompanie“, und ihre zarteren, edelsteinbeladenen Rivalinnen, die intriganten Prinzessinnen, Hofdamen und Fabelwesen mitsamt ihren Ministern, Prinzen, Generalen und Gala-nen aus der alten Peking-Oper, die immerhin auf eine Tradition von fast 2000 Jahren bauen. Wie' lange noch, ist allerdings eine andere Frage. Denn in China selbst hat die Volksrepublik mit der höfischen Form gründlich aufgeräumt. Als Kunstform ist die Peking-Oper somit auf Taiwan beschränkt, was bedeutet, daß da kaum noch eine künstlerische Entwicklung stattfinden kann, daß sie allmählich zum — natürlich hochstilisierten — Exportartikel zu degenerieren droht.

Ganz konnte man sich dieses Eindrucks auch beim Gastspiel der Taiwan-Oper im Wiener Konzerthaus nicht erwehren. Denn Opern wie „Der schöne Köder“ oder das Märchen von der „Weißen Schlange“ im Reader's-Digest-Verfahren, zusammengestrichen auf Highlights und Clownattraktionen, mitzuerleben, deutet ja schon in diese Richtung. Und im Grunde erinnerte mich diese Aufführung mit all ihrer luxuriösen Staffage, ihren prächtig gestickten Kostümen, den erstarrten Klischees und offenbar sehr einfachen Situationen, an Wiener Operettenverschnitte, mit denen man lange Zeit in den USA Furore machen konnte. Da ist alles hübsches, buntes Abziehbild (über das die Chinesen im Saal schon im voraus immer lachten!)... Philosophische, religiöse, historische Anspielungen — wie sie noch das Kunshan-Drama belasteten — sind eliminiert. Dennoch macht es Spaß, den Kriegern bei ihren furiosen Tänzen und Akrobatikeinlagen zuzuschauen, die simplen Pantomimen (Liebeswerbung, Wasserspiele, Krieg, Kahnfahrt usw.) gedanklich aufzulösen, den zirpenden, raunenden, von Rasseln und Klingeln und Zimbeln flirrenden Musiknummern zu folgen.

Taiwans Oper hinterläßt allerdings enormen Eindruck, wenn man sie mit dem platten, primitiv-vordergründigen Spektakel aus Maos China vergleicht. Simple Polit-Revue in romantischer Musikverpackung . . . Volkshelden werden gefeiert, die Heroen des zehnjährigen Bürgerkriegs auf Hainan (1927 bis 1937) mit allem Pathos in eine Kitschorgie gerückt. Eine „heile Welt der großen Revolution“, mit viel Drill aufgema-scherlt für Europa, mit einem stilistischen Mischmasch von unglaublicher Peinlichkeit für unser historisches Empfinden zurechtgebastelt. Beides versucht, kein Vergleich!

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