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Russische Amazonen

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Im Mittelpunkt des spannend geschriebenen Buches stehen jene emanzipatorischen, revolutionären und terroristischen Gruppen, die seit dem Dekabri- stenaufstand von 1825 das zaristische Rußland erschütterten. In diesen Kämpfen, die ihren Höhepunkt zwischen 1878 und 1881 erreichten, spielten einige junge, intellektuelle und aus sogenannten guten Familien stammende Frauen eine überaus wichtige Rolle. Sophia Perowskaja, Tochter des Generalgouverneurs von St. Petersburg, organisierte das Attentat auf Zar Alexander II. Vera Sassulitsch, aus einer Offiziersfamilie stammend, verübte einen Anschlag auf General Tre- pow. Einer adligen Beamtenfamilie entstammt auch Vera Figner, die zuerst in Zürich Medizin studierte und sich dann der terroristischen Organisation „Narodnaja Wolja“ anschloß.

Gewisse Parallelen zur terroristischen Szene in der Bundesrepublik der siebziger Jahre sind offenkundig, und Walther Schmieding deutet auch an, daß sich einige der deutschen konspirativen Gruppen mit der Geschichte des russischen Umstürzlertums intensiv befaßt haben. Manche Einzelheiten der damaligen Verschwörungen und der als „Hinrichtungen“ bezeichneten Morde sind in unseren Tagen minutiös nachgeahmt worden.

Gravierender sind freilich die Unterschiede zwischen den russischen und deutschen Revolutionärinnen. Kämpften die anati- schen Mädchen der „Narodnaja Wolja“ gegen eine polizeistaatliche Autokratie, so griffen die neuen Amazonen eine demokratisch-liberale Ordnung an. Auch findet sich bei ihnen keine Spur von jener glühenden Nächstenliebe und ethischen Sensibilität, die manchen russischen Attentä- terinnen den Ruf „heiliger Verbrecherinnen“ eingetragen haben.

Dem Verfasser geht es aber primär nicht um neue Bezüge zur Gegenwart, sondern um einen zusammenfassenden Überblick über einige dramatische Ereignisse und deren Protagonisten im Rußland des 19. Jahrhunderts.

AUFSTAND DER TOCHTER. Russische Revolutionärinnen im 19. Jahrhundert. Von Walther Schmieding. Kindler Verlag, München 1979, 287 Seiten,

öS 232,40.

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