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Schlechte Lehrmeister

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Wer das Österreichische Wörterbuch in der Ausgabe von 1990 aufschlägt, findet auf Seite 416 folgende zwei Formen nebeneinander angeführt: terminieren und termini-sieren. Diezweite, in Österreich anscheinend unausrottbare Form, ist unrichtig; das geht schon daraus hervor, daß das Kompositum determinieren heißt und nicht etwa „determi-nisieren”, wie es dann lauten müßte. Doch das Falsche macht meist schneller Schule als das Richtige. Da wird etwa im Wirtschaftsbereich schon von „kartellieren” und „Kartellisie-rung” (statt kartellieren und Kartellierung) gesprochen, in der Politik von „privilegisieren” (statt privilegieren), im Sport, etwa beim Fußballspiel, von „taktisieren” (statt taktieren).

Selbst wissenschaftliche Werke sind nicht frei von ähnlichen Wortbildungen. So wird zum Beispiel die „prästabilierte Harmonie” in der Monadenlehre des Philosophen Wilhelm Leibniz zur „prästabilisierten Harmonie” gemacht (so in dem Buch „Österreichische Kultur- und Geistesgeschichte” von William M. Johnston). Da ist vielleicht der Übersetzer des amerikanischen Verfassers schuld, doch auch deutschsprachige Autoren machen da mit, wie etwa Hartmut Vicon in seiner Rowohlt-Monografie über Theodor Storm, wo von „volontarisie-ren” statt volontieren gesprochen wird. In der „Geschichte der deutschen Literatur” (Uni-Taschenbuch) wird bei Thomas Mann von „parodisieren” (statt parodieren) geschrieben - und im medizinischen Bereich gebraucht ein Mediensprecher in seinem Dialog mit den Ärzten den Ausdruck „psychiatrisie-ren” statt psychiatrieren. Die mehr als unschöne Wortbildung „schubladieren” wird von einem Berichterstatter im ORF zu „schubladisieren” gemacht, und bei einem Fernsehgespräch über die Ereignisse im Vorderen Orient wird von der Angst gesprochen, daß der Golfkrieg „eskalisieren” (statt eskalieren) könnte.

Fernsehen und Rundfunk sind sprachlich keine guten Lehrmeister. Da hört man im Club 2 statt des Ausdrucks Intensität „Intensivität” und sogar „In-tensibilität”. Bei einer Volksanwalt-Sendung wird „das Magistrat” (statt der Magistrat) berufen, wie man mit dem Artikel überhaupt gern großzügig umgeht: man verwechselt, keineswegs nur in der Umgangssprache, sondern immer häufiger in Presse, Funk und Fernsehen männliches und sächliches Geschlecht: „das” (statt der) Monat, „der” (statt das) Benzin.

Noch peinlicher ist es, wenn arge Fehler immer wieder auf den Bildschirmen im Fernsehen in Druckschrift (!) aufscheinen; so unter anderem Wörter wie „Medidation” (statt Meditation), „Probst” (statt Propst), „Omitologe” (statt Ornitholo-ge), „agressiv” (statt aggressiv), „Kommisar” (statt Kommissar), „Nachfahrverbot” (statt Nachtfahrverbot), „Tipfehler” (statt Tippfehler”, „CSFR” (statt ÖSFR). Sogar Ortsnamen werden entstellt: „Hallstadt” (statt Hallstatt), „Thübingen” (statt Tübingen”, „Strohheim” (statt Stroheim). Diese Beispiele, die alle belegbar sind, ließen sich beliebig vermehren. Wer hat wohl diese Schlampereien zu verantworten?

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