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Schmidt, Jungk und „Siddharta"

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Die Kandidatin und der Kandidat der Oppositionsparteien gerieten heftig aneinander, indes Rudolf Streicher und Thomas Klestil sich nobel zurückhielten. Fem-seh-Konfrontationen sind aufschlußreich - auch in dem, was nicht gesagt wird. Heide Schmidt und Robert Jungk standen unter dem Druck der Attacken, die Jörg Haider gegen den Zukunftsforscher und Kandidaten der Grün-Altemati-ven gestartet hatte.

Jungk entlud seinen Grimm auf Heide Schmidt, die in diesem Präsidentschaftswahlkampf ständig betonen muß, daß sie ein eigenes Profil hat.

Dazu kommt noch etwas anderes: Jungk, der mir in einem Gespräch sagte, er sei „nicht gefeit gegen die Versuchung des Ruhms", möchte im ersten Wahlgang ein gutes Ergebnis erreichen und da ist Heide Schmidt seine Hauptkonkurrentin. Er hätte ja gern eine Landesmutter, beteuerte er mir vor einem Monat, und er schwärmte von der Wärme, Geduld, Herzlichkeit und Sensibilität der Frauen. Dann aber kam's beinhart: „Frau Schmidt hätte die Chance, einen fraulichen Ton in die Politik zu bringen, aber sie schafft es nicht. Sie ist nicht der Typ. Die politischen Frauen sind meist eigentlich nur verkleidete Männer."

Jungk, der Friedensfreund, möchte seine Gegnerin aggressiv ignorieren, sie nennt ihn deshalb „menschenverachtend", und weil die Österreicher solche Konflikte nicht wollen, Werden die Kandidaten der Koalitionsparteien von diesem Gerangel profitieren. Die nehmen das Wort Kampf gar nicht in den Mund und betrachten einander auch nicht als Gegner, sondern als freundliche Konkurrenten in der Wahl werbung. Zumindest bis zum zweiten Wahlgang, der höchstwahrscheinlich kommen wird.

Dabei ist eines interessant: In einer Umfrage unter den vier Kandidaten wurde auch ergründet, wer welches Buch mehrmals gelesen hatte. Und da kam heraus, daß Heide Schmidt und Robert Jungk ein Lieblingsbuch gemeinsam haben: „Siddharta" von Hermann Hesse. „Siddharta", ein Bildungs- und Entwicklungsroman, in dem es um die zeitlose Welt der Werte und des Geistes geht. In einem kurzen autobiographischen Essay hat Hermann Hesse 1931 erläutert, worum es ihm in „Siddharta" gegangen ist. Nicht die Erkenntnis, sondern die Liebe steht obenan, das Dogma wird abgelehnt, und das Erlebnis der Einheit steht im Mittelpunkt.

Hesse, der überzeugte Pazifist, als Lieblingsautor zweier sehr verschiedener Persönlichkeiten, die nicht den Eindruck erwecken, als seien sie sehr nachdrücklich geprägt worden von der „Sidd-harta"-Lektüre.

Vielleicht sollten sich die beiden nach dem Kampf als Verlierer noch einmal zusammensetzen und über Hesse reden.

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