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Solo

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In Wirklichkeit war es ja ein Sowinetz-Solo, was da Silke Schwinger unter dem Titel „Weanastadt - Weanaleut“ zusammengestellt hatte und was vom ORF im Anschluß an ein Wienprogramm unlängst ausgestrahlt wurde. Jeder Auftritt des Kurt Sowinetz ist ein Ereignis. Wenn er ironisch und boshaft wird, dann bin ich beruhigt; sobald er aber gemütliche Töne anschlägt, spüre ich den kalten Schauer im Nacken.

Alle Abgründe der österreichischen Seele, die von harmlosen Ausländern mit Charme verwechselt werden, öffnen sich, wenn Sowinetz mit halb geschlossenen Lidern und kurzen Seitenblicken auch nur den „lieben Augustin“ singt, oder den Ruf des gesehen Kohl'nbauernbuam“. Oder die Steffi- und Himmelvaterlieder, die Schmalz- und Balzlieder, die Mord- und Selbstmordlieder - der Bratfisch hat ja bekanntlich vorher noch so schön gepfiffen. Kronprinz Rudolf war das einzige Mitglied der ehemaligen Dynastie; das sich . in die Todesverliebtheit der damaligen Unterschicht hineinreißen ließ. Daher seine Popularität.

Was damals Unterschicht war, ist heute die herrschende Oberschicht, die Neue Klasse. Der Hang zur Selbstvernichtung ist geblieben. Deshalb muß sie unentwegt sich selbst und allen anderen versichern, daß alle vorangegangenen Führungsschichten untergangsreif, eine „im Verfall begriffene Gesellschaft“ gewesen seien. Fast in jeder Aussage muß diese Beteuerung wiederholt werden.

Dahinter lauert die unausgesprochene, aber würgende Angst, daß das Gegenteil der Fall sein könnte. Daß die Neue Klasse mit ihrer Selbstherrlichkeit, ihrem Abtreibungskult, ihrer hemmungslosen Promiskuität, ihrer Verhöhnung „abgeschaffter“ Umgangsformen (die dazu bestimmt waren, das Zusammenleben zu erleichtern), mit ihrem unverhohlenen Neid, ihrer Unfähigkeit, zugunsten kommender Generationen auf irgend etwas zu verzichten, ihrem Haß gegen die Entmachteten -daß also die Neue Klasse des Todes sein könnte, während die einstmals staatstragenden Schichten, Bauern, Bürger, Aristokraten, an Verzicht längst gewöhnt, mit Nachkommenschaft gesegnet und unentwegt an christlichen Wertbegriffen festhaltend, das Kommende überstehen und am Ende -freilich erst nach vielen Jahrzehnten, aber was tut's? -das Rennen gewinnen könnten.

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