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Sparefroh braucht den Notgroschen nicht mehr

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(f.h.)-Hat das Sparen überhaupt noch einen Sinn? Wir brauchen den angesparten Notgroschen angesichts unserer ausgefeilten Systeme von Kranken- und Pensionsversicherung eigentlich nicht mehr. Und zumindest diejenigen, die Arbeit und Beschäftigung haben, können sich in gewissem Rahmen ihre Wünsche erfüllen. Worauf also noch sparen? Auf neue energiefressende Haushaltsgeräte und Statussymbole? Auf neue Häuschen zur Verhjjttelung der Landschaft? Solche Gedanken kommen, wenn angesichts des Weltspartages wieder das Bild vom tugendhaften Österreicher beschworen wird. Sind die Spareinlagen in Österreich mit mehr als 1.200 Milliarden Schilling ohnehin nicht hoch genug? Warum nicht alles verputzen?

Nein. Denn das Sparen hat gerade in letzter Zeit neuen und zusätzlichen Sinn bekommen. Sparen hat ja im volkswirtschaftlichen Sinn über die Notgroschen- und Ansparphilosophie des einzelnen Haushaltes hinaus noch wesentliche andere Funktionen.

In der Nachkriegszeit war ein hohes Sparvolumen erforderlich, um den Wiederaufbau und die Errichtung eines neuen Bestandes an produktiven Anlagen und Maschinen zu gewährleisten. Ein Argument, das immer noch gültig ist: Für die laufende Erneuerung und Modernisierung des Anlagenbestandes der Volkswirtschaft sind hohe Sparquoten erforderlich, und ein Teil der günstigen wirtschaftlichen Entwicklung Österreichs in den letzten Jahrzehnten ist sicherlich dem im internationalen Vergleich hohen Sparwillen der Bevölkerung und dem Einsatz dieser Gelder in sinnvollen Verwendungen zu danken. Natürlich könnte man Geld auch im Ausland ausborgen, doch zieht das unnötige Zinszahlungen und Abhängigkeiten nach sich.

In letzter Zeit sind jedoch Entwicklungen eingetreten, die die Notwendigkeit des Sparens in den westlichen Industrieländern auch noch in einem anderen Licht erscheinen lassen. Die Erneuerung Ost-Europas wird zumindest in den ersten Jahren nicht anders als von außen finanziert werden können. Unglaubliche Zahlen stehen da im Raum: Rund 100 Milliarden Dollar pro Jahr, schätzt der Währungsfonds, werden Wiederaufbau und Reorganisation in Mittel- und Osteuropa einschließlich Sowjetunion sowie der vom Golf-Krieg zerstörten Regionen bis 1996 erfordern.

Dieses Geld kann nicht anders als über die weltweiten Ersparnisse aufgebracht werden. Die internationalen Kapitalmärkte stehen damit vor ungeheuren Aufgaben. Die Österreicher können durch Sparleistung dabei helfen. Und gleichzeitig vermeiden helfen, was letztlich ohnehin nicht zu vermeiden sein wird. Daß nämlich der Finanzbedarf des Ostens großteils zu Lasten der Entwicklungsländer gehen wird. Wenn schon die Neigung zu solidarischem Teilen mit diesen Ländern nicht besonders ausgeprägt ist, so könnte wenigstens auf dem Weg des Sparens ein - sei es auch bescheidener - Beitrag geleistet, und dem Weltspartag ein neuer Sinn gegeben werden.

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