7079692-1993_31_04.jpg
Digital In Arbeit

Tricks gegen Arbeiterinteressen

19451960198020002020

In Serbien droht eine Streikwelle bisher ungeahnten Ausmasses. Vor allem Arbeiter in der Rüstungsindustrie sind unzufrieden. Das könnte das Milosevic-Regime besonders hart treffen.

19451960198020002020

In Serbien droht eine Streikwelle bisher ungeahnten Ausmasses. Vor allem Arbeiter in der Rüstungsindustrie sind unzufrieden. Das könnte das Milosevic-Regime besonders hart treffen.

Werbung
Werbung
Werbung

Bereits seit einer Woche stehen in einem der größten serbischen Rüstungsbetriebe, dem Großkombinat „Sloboda” in Cacak, die Maschinen still. In zwei weiteren Rüstungsbetrieben, den Traktoren- und Motorenwerken „IMT” und „22. Mai”, haben Arbeiter Streikkomitees gebildet und drohen, noch in dieser Woche die Arbeit niederzulegen.

Grund der Unzufriedenheit: Die Löhne der Fabriksarbeiter liegen umgerechnet bei 210 Schilling, doch nach offiziellen Angaben benötigt eine vierköpfige Familie im Monat mindestens das Zehnfache, um über dem Existenzminimum leben zu können.

Gemeinsame Kampffront

In den vergangenen zwei Monaten hat es immer wieder spontane Streiks gegeben, sie gehören längst zum serbischen Alltag. Mit der Zusicherung von Lohnerhöhungen verebbten Proteste, zu denen der kleine unabhängige Gewerkschaftsbund „UGS” aufgerufen hatte, meist rasch. Dies könnte nun möglicherweise anders werden. Denn die Lohntüten der Arbeiter sind trotz Streiks nicht voller geworden.

In „Sloboda”, „IMT' und „22. Mai” bilden erstmals unabhängige Gewerkschaftsaktivisten mit Vertretern der staatlichen Einheitsgewerkschaft „SSS” eine gemeinsame Kampffront. Ein Vorgang, der in der Führung der Milosevid-nahen Staatsgewerkschaft Besorgnis auslöst. Um der „unkontrollierten Streikbewegung” zuvorzukommen, rief der Gewerkschaftsboß und Milosevid-Freund Mica Sanovid alle Arbeiter für den 5. August zu einem Generalstreik auf, sollte es keine Zusicherung auf Lohnerhöhungen geben.

Für Milan Nilolic, den Vize-Vorsitzenden der unabhängigen Gewerkschaften, ist dies allerdings nur ein „Trick, um die Protestbewegung zu spalten”. Für ihn ist der Aufruf seines Widersachers Sanovid ein Manöver, durch das das Regime Zeit gewinnen will, um die für diese Woche geplanten Streikaktivitäten abzusagen und mit einem sogenannten „kontrollierten Generalstreik” die Unzufriedenheit der Arbeiter in geregelte Bahnen zu lenken.

Noch ist nicht sicher, ob die Streikkomitees der Großfabriken, JMT' und ,,22.Mai” dem Beispiel von „Sloboda” folgen werden oder dem Aufruf der staatlichen Einheitsgewerkschaft „SSS”.

In der ehemals autonomen Provinz Woj wodina haben unlängst unabhängige Bauerngewerkschaften mehrere Straßenblockaden errichtet, um so auf ihre miserablen Lebensumstände aufmerksam zu machen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung