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Trunkenes Schiff

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„Ein schlimmes Kind bin ich...", das dann in die Pubertät kommt und zwar „als Filmstar meiner Pubertät, wenn Samenfontänen mir den Kragen meiner Diphtin-Jacke streiften". Solcherart geht die Entwicklung rasant weiter: „Wortblitze schlagen in mich ein... Bin der Größte im Lästern... Bin Spezialist im Lallen".

Bei diesem Ich-Bin-Test, den der Autor in seinen gesammelten Gedichten mitliefert, wird sich wohl schwerlich ein exakter gemeinsamer Nenner finden lassen, etwa der „bürgerliche" Name Wolfgang Bauer. In den Gedichten wütet eine Ekstase, welche dem Ausruf: „Was soll ich schreiben?!" mit der Antwort „Alles?!" gerecht werden will. Zwischen Emphase und deren selbstzerstörerischer Ironie schwankt dieses „Bateau ivre" aus der Werft Arthur Rimbauds hin und her, ein Sturmereignis von Poesie: „Ich selbst bin der Märzwind".

Zuweilen fährt er als Saubermann durch die Gefilde, um die „gurrenden Metaphern" einzufangen und zu vertilgen, denn „so schön und einfach ist die Welt / wenn die Metapher fehlt". Diesem poetologischen Programm zum Trotz stehen wir etwas weiter „in Wüsten, in welchen Klapperschlangen wie einarmige Banditen rasseln". Im Metapherndschungel genießen wir den Sexualtourismus, der damit endet, daß wir nach der Heimkehr nach Graz-Singapur aus ungesprochenen Worten erst so recht die zu Tränen ergreifende Schönheit des weiblichen Kolibri erstehen lassen.

Bei seinen vielseitigen Versuchen probiert es Wolfgang Bauer auch damit, alte Erwartungsklischees der traditionellen Lyrik zu unterlaufen. Nach jahrzehntelanger Entlarvungsroutine ist aus dem Lächeln von ehemals die Lächerlichkeit dessen geworden, der sich auf einen abgesägten Ast setzt.

WERKE FÜNFTERBAND.GEDICHTE. Von Wolfgang Bauer. Droschl Verlag, Graz/Wien 1992. 189 Seiten, öS 250,-.

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