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Uberbewertete Konfektion

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War die „Love Story“ ein Rührererfolg für die breite Masse und „Cherie bitter“ eine Love-Story für Intellektuelle, dann ist „Jeremy“ nunmehr eine LovenStory für Halbwüchsige (jeder Altersstufe). Der deutsche Verleih betitelte diese erste Liebe zwischen sensiblen Teenagern, dem 16jährigen Jeremy, einem angehenden Cellisten, und der gleichaltrigen Susan (mit Ballett-Ambitionen), die natürlich infolge Verlegen des Wohnortes eines Elternteiles un-happy endet, nicht vergeblich und völlig richtig als „eine Geschichte voller Zärtlichkeit“. Und dies sagt schon alles: wie da mit raffinierter Zoom-Optik und Super-Teleobjektiv jedes Gefühl lyrisch-pastellartig weichgezeichnet wird und bei allen Gefühlsregungen Cellis in Dur und Moll entsprechend jubeln und klagen, verheißt soviel Zärtlichkeit und Tragik, als ob Weltenschicksale bewältigt werden müßten ... Doch welcher Sechzehnjährige war nicht — eben in diesem Alter — schon unsterblich verliebt und hat dies nicht ziemlich bald (solche Lieben enden gewöhnlich mit einer Trennung!) überwunden? So weltbewegend ist eine derartige Geschichte wohl kaum — und abgesehen davon hat Shakespeare dies schon wesentlich dramatischer und klassischer (und ohne Sentimentalität) verewigt. Sicher, in dem Film geht alles überaus sauber, überaus sympathisch und überaus „gepflegt“ zu — dennoch erhebt sich beim denkenden Beobachter die Frage, was zum Kuckuck ist an dieser überaus edlen Konfektions-Schnulze aber „besonders wertvoll“?

Sollte jemand bereit sein, sich eineinhalb Stunden tödlich langweilen zu wollen, um in den Genuß einer geradezu beispielhaften Fehlinsze-nierung zu kommen (hier kann man alle Fehler, die nur möglich sind, beobachten), der 'sehe sich „Sommerliebe“ an; wie hier Jean-Claude Brialy, zum Regisseur avanciert,krampfhaft Tiefsinn produzieren will, dabei aber nur gewollt originellen Stumpfsinn zustande bringt, ist so unbeschreiblich, daß man dieses Muster aufgeblähten Dilettantismus in all seiner Komplexität nicht beschreiben kann, sondern sich davon selbst überzeugt haben muß. Es gibt nicht nur bei uns Pseudo-Regis-seure ...

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