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Verbittertes Leben

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De mortuis nil nisi bene. 1978 hat Jean Amery in Salzburg Selbstmord begangen. Die Topographie seines Lebens, die nun unter dem Titel „örtlichkeiten" erschienen ist, zeichnet einen Weg nach, der Amery zuletzt nicht weiter gebracht hat als eben nach Salzburg. Diese Tatsache, die nur im Nachwort angedeutet ist, gibt dem Logbuch Amerys, das noch mehr als örtlichkeiten seine Standpunkte fixiert, Relief und eine tragische Dimension, die über die Worte hinausreicht.

Amery läßt keinen Zweifel darüber, daß es alles andere als bequeme Wege waren, auf die er geraten ist. Eine Vorhötlenfahrt durch ein halbes Jahrhundert-unser Jahrhundert. Schicksal, möchte man sagen, das Schicksal eines österreichischen Juden und radikalen, also sehr linken Sozialisten, zur falschen Zeit unter einem bösen Stern angetreten. Fünfundzwanzig Jahre später geboren, hätte er vielleicht 1968 seine Karriere gemacht und genösse heute irgendwelche fette Kulturpfründe.

Dennoch kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, daß es auch sein persönliches, freigewähltes Verhältnis zur Wirklichkeit war, das ihn in die Sackgasse führte, die in Salzburg endete. Wahrscheinlich wollte Amdry zuviel und zuwenig, beides zugleich. Zu den „örtlichkeiten" fehlt ihm Distanz: die Bitterkeit überwiegt die literarische Qualität, die Polemik den Witz - als Psychogramm 'eines Gescheiterten hat dieses schmale Buch trotzdem sein Gewicht.

ÖRTLICHKEITEN. Von Jean Amäry. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 1980, 143 Seiten, öS 169,40.

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