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Verfall des Intimen

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Das Elend einer „Psychologie", die sich vom Begriff des Seelischen getrennt hat, tritt neuerdings in einem Sammelband vornehmlich psychoanalytischer Provenienz zu Tage. Dieser gilt negativen Verän- derungen in Verhalten und Welt- anschauung, die nicht zuletzt unter dem Diktat dieser familien- und gruppenzersetzenden rationalisti- schen Ideologie erfolgten.

Der Begriff der Intimität, um wel- chen die Reflexionen der Verfasser kreisen, wird nie erklärt. Einschnei- dende Verfallsformen - wie der alar- mierende Rückgang der Fertilität - werden ausgeklammert. Weder finden die verheerenden Konse- quenzen der massenhaften Abtrei- bung Erwähnung, noch der tiefe Vertrauensschwund zwischen den Geschlechtern im Aids-Zeitalter.

Die derart reduzierte Diagnose der Seelenklempner ist trist genug. Da wird die Zerstörung der Intimi- tät durch Fernsehen und Werbung ebenso beschworen wie die Proble- matik von Liebeserklärungen, der Zusammenbruch von Wohnge- meinschaftsexperimenten ebenso dargestellt wie der erschütternde sexuelle Mißbrauch von Kindern.

Zu raten weiß diese von aller- hand utopistischen Visionen ge- tränkte Wissenschaft freilich nicht, noch weniger zu helfen. Daß die jüngsten Tendenzen zu Ehe und Familie eindringlich beklagt wer- den, zeigt das Dilemma einer Psy- chologie, der es ausschließlich um Emanzipation - das heißt: Auflö- sung - zu tun ist.

INTIMITÄT. Über die Veränderung des Pri- vaten. Herausgegeben von Michael B. Buchholz. Beltz Verlag, Weinheim/Basel 1989.348 Seiten, öS 296,40.

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