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Verwandlung

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Zeigt die Ausbreitung der Lesegewohnheit um 1800 zugleich den Verlust emotionaler Ergriffenheit im Lesepublikum an? Erich Schön, Literatursoziologe aus Konstanz, berichtet in seiner auf den deutschen Sprachraum beschränkten Untersuchung von Rationalisierung und Normierung des Lese-Erlebens, das ur-sprüngüche, noch im 18. Jahrhundert ausgemachte, sinnliche Erfahrungswerte verschüttet habe.

Diesen Verfall belegen ihm zahlreiche, ausführlich zitierte Quellen: Offenbar machen sich die reduzierte Naturbeziehung des Lesers, zunehmende Verwendung des — freilich keineswegs nur ernüchternden! — Reizmittels Kaffee, die Verkürzung des Lesevorgangs durch die Nutzung geringster Zeiträume bemerkbar.

Subjektive Beschreibungen des Lesens im 18. und frühen 19. Jahrhundert mögen die Beschränkungen einseitig sinnbezogener Rezeption erhellen, welche die Stimmungswerte unterschätzt. Dennoch ist die Schlußfolgerung des Verfassers, einen allgemeinen Wandel des Gefühlserlebens beim Lesepublikum zu konstatieren, keineswegs überzeugend und — auch im Licht romantischer und neoromantischer Wendung zur Subjektivität — historisch fragwürdig.

DER VERLUST DER SINNLICHKEIT/ ODER DIE VERWANDLUNGEN DES LESERS. MENTALITÄTSWANDEL UM 1800. Von Erich Schön. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 1987. 445 Seiten, öS 577,-.

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