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Von Rust nach Tel Aviv

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Wenn uns die Bilder aus Tel Aviv auch zeigen, was die Scuds anrichteten, die seelischen Verletztungen, die Vernichtung von unersetzlichen Lebensräumen der inneren Wirklichkeit, mit all ihren Erinnerungen, Fotos, Briefen und Büchern hinterläßt auf der Elektronik keine Spur. Dazu bedarf es der Gedichte. Und es gibt sie: Deutschsprachige Gedichte in Israel! Wie man diesen Staat auch sehen mag, als gelobtes Land oderais belastendes Exil, berühmte und hervorragende Autoren wie etwa der 90jährige Werner Kraft haben es immer für einen Auftrag gehalten, auch in Jerusalem innerhalb des deutschen Geistes ihr Leben zu führen.

Ein Phänomen gleichen Schlags ist David Ignaz Neumann, der Messerschleifer aus Rust und Tel Aviv. Als Dreißigjähriger erlebt er 1927 die Wiedergeburt des mosaischen Zeitalters in der Landnahme. Auch in all dem, was darauf gefolgt ist, erkennt er den geschichtlichen Aspekt einer überzeitlichen Wirklichkeit, wie sie sich im Alten Testament ausgeprägt hat: „Zum Unrat gestoßen. Vom Unrat verführt. / Und doch hat mich glühend Dein Funke berührt.” Antiphon zu dieser „Bitteren Melodie” eines österreichischen Zionisten erklingen und klingeln Reimspiele in der Nachfolgeschaft Christian Morgensterns, surreale und mit dem Absurden kokettierende Nichtigkeiten, hinter denen Wichtigkeiten, ja die metaphysischen Züge spöttisch oder freundlich lächelnd hervorlugen.

Manfred Seidler, der Kommentator, und der Roetzer Verlag seien bedankt, bei diesem ungewöhnlichen Patrioten zweier Welten Österreichs Anteil wahrgenommen und gewürdigt zu haben.

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