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Wanderer zweier Welten

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„Emigration" ist ein durch die Brutalität der Weltgeschichte ins Tragische verschärfter Konfliktstoff, der aber dem menschlichen Dasein an sich anhaftet. Überall ereignen sich Odysseen, „Heimsuchungen" und ge- oder mißglückte Ortungen im Hier und Jetzt.

Es gehört zu den Besonderheiten des Menschen und Künstlers Friedrich Bergammer, der Wien 1939 verlassen hat und es mit New York fortan vertauschen mußte, daß er seine Emigration in den Teil einer geistigen Odyssee zu verwandeln vermochte. Er blieb in New York, der ihm fremden Stadt „auf der Suche nach der verlorenen Zeit", kam aber regelmäßig nach Wien „auf der Suche nach der wiedergefundenen". Also ein

Wiener unterwegs zwischen zwei Kontinenten, was ihm wechselnde Gesichtswinkel erschloß.

Auch die hier versammelten Aphorismen Bergammers sind nicht so sehr vom Charakter des „Untersuchens" als des Suchens geprägt: oft sind es verblüffende Wortfotos, Momentaufnahmen von Gefühlszuständen und sich plötzlich erschließenden Sinnzusammenhängen, die aber dazu auffordern, dahinter die ewigen Symbole und Fragen zu suchen: „Mittag sind die Schatten kürzer, am Abend haben sie Vergangenheit", „Das Jenseits ist ein anderes Zimmer in der selben Wohnung".

Aus solchen locker gefügten Apercus entsteht das Bild eines Menschen, der zwei Strebungen ins Gleichgewicht gesetzt hat: Die Offenheit des Suchenden und die Verantwortlichkeit im schon schicksalhaft Beschlossenen. Ihm gelingt so, allen seinen Gedanken, auch den bitteren und schweren „die mütterliche Wärme des Ursprungs" zu bewahren. Ein komprimierter Text für nachdenkliche „Wenig-Leser".

DIE KRAMSCHACHTEL. Aphoristische Pro sa von Friedrich Bergammer aus dem Nachlaß. Herausgegeben von Ernst Schönwiese. Edition Roetzer, Eisenstadt 1992.79 Seiten, öS 130,-.

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