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Warnung von Telemax

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Als der Heilige Vater am Sonntag sein Amt übernahm, vergrößerte er auch das Ansehen von folgenden Zweien: der Küsse und der Armbanduhren.

Karol Wojtyla hat an die hundert Kardinäle der Reihe nach geherzt, auf die Wangen geküßt, jeden anders, bei einigen spitzte er sogar den Mund und sagte meiner Meinung nach: „Franz, wir bleiben die alten, Amen."

Um die linke Hand, mit der er die Kardinäle am Hinterkopf faßte und an sich drückte, trug er eine Armbanduhr.

Das hatte sich bis zu dieser Stunde nicht vertragen: Feierlichkeit und Armbanduhr.

Die Anstandsbücher verbieten schon zu Frack und Smoking die Armbanduhr, um wieviel mehr, dachten wir, muß das für die Prächtigen gelten, die Infulierten, die hohen Herren, wenn sie das Goldbestickte tragen!

Wojtyla mißachtete aber El-mayer und machte damit Uhrgeschichte.

Der erste Johannes Paul war der Lächler, dieser zweite ist der Küsser mit der Uhr.

Die beiden Herren Pontifizes sind dadurch das faszinierendste Programm, das wir seit langer Zeit von der Kirche bekommen haben, auch das modernste, weil es alle Sophisterei überstrahlt: Lächeln, küssen und zu wissen, wie spät es ist.

Das geht über den Christenkreis hinaus, und wenn der liebe Leser vielleicht ein Jude oder ein Mohammedaner oder ein Ungläubiger ist, kann er trotzdem die fröhliche Regel annehmen.

Wer lächelt, Brüder und Schwestern, küßt und weiß, was es geschlagen hat, ist auf jeden Fall eine erfreuliche Erscheinung, gern gesehen, oben im Himmel und auch hier herunten.

Der österreichische Fernseher liebt das Exotische. Vor allem beim Tier: Jede Kreatur, die nicht aussieht wie Hund, Katz', Kuh oder Goldfisch, dient ihm zur Erbauung und erinnert ihn an Gottes Hand.

Doch auch für den merkwürdigen Menschen, den Mohr, das Schlitzauge oder die Rothaut zeigt er Interesse.

Kein Wunder, daß die Tierfil-mer da und dort exotische Völker vorkommen lassen.

Beispielsweise bemerkte der Sprecher von Capitaine Couste-aus „Geheimnisse des Meeres" folgendes: „Für das Erwachen des Frühlings haben die Indianer ein Wort: ,Joho'. Es bedeutet Ehrfurcht und Staunen."

Hier — so denkt nun der ergriffene Zuschauer — ist der Mensch noch unverfälscht, den Tieren nahe.

„Joho" — vergleichbar dem Begrüßungsruf an die aufgehende Sonne: „Kikeriki."

Indes kann Ihr Telernax den Indianern mitteilen, daß „Joho" kein Zeichen ihrer dämonischen Primitivität ist, wie dies der Exotenfilmer gern verbreiten möchte.

Ganz Europa reagiert ähnlich, und für das Erwachen des Frühlings haben auch wir ein Wort, welches Ehrfurcht und Staunen ausdrückt, nämlich: „Jö."

Gerne lüde Ihr Telernax an schönen Lenztagen eine Rothaut zum Spaziergang ein. Es böte sich uns folgendes Bild:

Ein Professor sieht das erste Leberblümchen und sagt: „Jö."

Und eine Atomphysikerin sieht die ersten Kirschblüten und sagt: „Jö."

Und Magnifizenzen und Bischöfe und Gewerkschaftschefs, hochqualifizierte Figuren, sehen die ersten Schwalben und rufen: „Jö." So wäre das.

Es wird dies für alle Indianer, welche die „Kronen-Zeitung" lesen, ein tröstlicher Hinweis sein.

Man teilt die Ansiedlungen gewöhnlich so ein: nach Ortschaften, Nestern, Marktflecken, Städtchen, Hauptstädten, Weltstädten, Metropolen usw.

Auf die Frage, wer eine Metropole sei, antwortet der ORF: Zell am See.

Die Entstehung solcher Metropolen verdanken wir der Stilregel, daß man Wörter nicht wiederholen darf.

Daher suchen die ORF-Reporter Ersatzbegriffe, finden leider sehr häufig gespreizte, und so heißt es dann im „Österreichbild": „Es war ein großer Tag für Zell am See! Die Bevölkerung der Pinzgauer Metropole..."

Es wimmelt in Österreich von Metropolen, Scheibbs: die öt-schermetropole, Gars: die Kamptalmetropole, Tulln: die Quargelmetropole usw.

ORF-Reporter haben offenbar in der Volksschule Aufsätze geschrieben, wie: „Einmal fuhren wir nach Zell am See. Als wir in Zell am See ankamen, war gleich links in Zell am See ein See."

Darunter schrieb der Lehrer: „Nicht soviel Zell am See!"

Seit diesem Tag wiederholen sie nichts mehr und halten sogar den Heiligen Geist für einen schlechten Stilisten, weil dieser ja dem Johannes die Feder geführt und begonnen hatte: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort."

Das macht dreimal „Wort" und dreimal „war" und zweimal „und" und zweimal „Gott", und im „Österreichbild" wäre ein solcher Schnitzer nicht passiert.

Dort müßte es heißen: „Im Anfang war das Wort, dieses Vokabel wohnte bei Gott, und der Allmächtige ist mit dem erwähnten Begriff identisch gewesen."

Soviel zur Stilkunst im ORF, sehr geehrte Damen und Herren.

Aus: WARNUNG VOR EINSEITIGEM GEBRAUCH DES KOPFES. Fröhliche Anmerkungen von Telemax. Verlag Christian Brandstätter, Wien 1983, 160 Seiten, geb., öS 148,-.

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