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Digital In Arbeit

Was brauchen wir?

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„Was soll ich denn aber anziehen?“ ruft Frau Thilde schier verzweifelt aus. — „Zieh doch das Blaue an!“ rät der Gatte. — „Das Blaue ist doch nicht zu brauchen für solch einen Abend!“ entgegnet entrüstet die Gattin, „für einen festlichen Abend ist von meinen Kleidern überhaupt keines mehr zu brauchen!“ — „Ja, dann wirst du wohl daheimbleiben müssen“, meint nun der Gatte mit verabscheuungswürdi-ger Ruhe. — „So! Daheimbleiben! Sieh mal an! Zu nichts bist zu zu brauchen, aber allein ausgehen, das könntest du. Aber daraus wird nichts, mein Lieber! Ich zieh' das Grüne an.“

Und Frau Thilde „begibt sich ins Grüne“. Grün ist die Farbe der Hoffnung. Und so wollen wir hoffen, daß Frau Thilde noch lernt: „brauchen“ hat den Sinn von „nötig haben“, „gebrauchen“ hat den Sinn von „verwenden, benützen“. Wir brauchen Geld, brauchen Zeit, brauchen Ruhe. Unterscheide: Dieses Kleid ist nicht mehr zu gebrauchen. Zu dieser Arbeit ist er gut zu gebrauchen.

Wenn Wilhelm Busch sagt: Wer nichts gebraucht, der hat genug, so begeht der große Mann — wie leider recht oft — einen Fehler.

Wieso wird anstatt des Wortes „gebrauchen“ so oft das Wort „brauchen“ gebraucht? Und wieso sagt Busch anstatt „brauchen“ „gebrauchen“? — Das kommt wohl daher, daß die Vergangenheitsform beider Wörter „gebraucht“ lautet. Beispiele: Wir haben Geld gebraucht = nötig gehabt. Fremdwörter hat er grundsätzlich nicht gebraucht = verwendet.

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