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Was ist Wahrheit?

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Francesco Rosi, einer der großen Regisseure der italienischen Nachkriegsära, hat sich in den 16 Jahren seit seinem Dubüt in „La Sfida“ in allen seinen wichtigen Filmen stets mit den gesellschaftlichen Auswirkungen der für die kapitalistische Wirtschaft signifikanten ökonomischen und politischen Machtballungen und ihrer Anfälligkeit für kriminelle Koplotte beschäftigt — wobei stets die Mafia in ihnen eine bestimmte Bedeutung besitz, so in „Wer erschoß Salvatore G.?“, „Die Hände über der Stadt“ und „Der Fall Mattei“.

Am eindeutigsten nun beschäftigt sich Rosi mit dieser Organisation in „Lucky Lucian&', wobei er zur Sichtbarmachung dieses Entwicklungsprotokolls der italo-amerikanischen Mafia sorgfältig recherchierte Vorgänge aus der italienischen Zeitgeschichte verwendete. Für österreichische Verhältnisse, beziehungsweise den österreichischen Kinobesucher mag vieles darin unklar erscheinen, wenn nicht sogar uninteressant — doch dem Kenner der politischen Verhältnisse in Italien muß Rosis Jahre hindurch erarbeitete und erweitere Methode, authentische Fakten zu ordnen und mit Hilfe interpretatorischer Schwer-punke und Verdeutlichungen kennt lieh zu machen, ebenso faszinierend wie den Filmfreund, den Cinephilen, die unerhörte filmgestalterische Logik und Perfektion begeistern wird, mit der Rosi geschichtliche Fakten in filmischer Form spannend und durchschaubar präsentiert. — Politisch besonders bedeutsam werden hier die Zusammenhänge zwischen der amerikanischen Besatzung Italiens nach 1943 und den Angehörigen der Mafia aufgedeckt, womit die These klar untermauert wird, daß die Mafia in die politischen Strukturen der Vereinigten Staaten als perfekt arbeitende Organisation ge setzmäßig natürlich und logisch zu gegenseitigem Nutzen eingebaut is't. Der ebenso spröde und kühle wie hochinteressante Film, das Gegenstück zum .Paten“, ein Lehrstück für die Darstellung politischer Geschichte, in dem Gian-Maria Volonte in der Titelrolle — als nach Italien deportierter Mafia-Boß — eine schauspielerische Glanzleistung vollbringt, stellt einen Pflichtbesuch für jeden geistig interessierten und denkenden Menschen unserer Zeit dar — gleichgültig, ob seine persönliche Auffassung und Anschauung sich mit dem Gezeigten deckt oder nicht.

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