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Weiterhin Flaute

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Während die Bevölkerung Tag für Tag mit neuen Meldungen über Preiserhöhungen gefüttert wird, geschieht im Parlament erstaunlich wenig. Um Kreiskys Prioritätenkatalog ist es eher still geworden.

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Während die Bevölkerung Tag für Tag mit neuen Meldungen über Preiserhöhungen gefüttert wird, geschieht im Parlament erstaunlich wenig. Um Kreiskys Prioritätenkatalog ist es eher still geworden.

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• Fest steht, daß das Parlament rund um den 17. Juli in die Ferien gehen wird.

• Fest steht, daß bis dahin viele Materien noch nicht erledigt sein werden.

• Fest steht indessen nicht, ob das Parlament im Herbst überhaupt noch zum Arbeiten kommen wird. Denn obwohl niemand so recht daran glauben möchte, ist bisher kein führender Politiker dem Herbstwahlgespenst entgegengetreten.

Im Gegenteil. Gewerkschaftsbundpräsident Benya, bislang härtester Gegner von Herbstwahlen, hat erst kürzlich in aller Öffentlichkeit seinen Widerstand gegen einen Urnengang im heurigen Jahr aufgegeben. Er wird seine Gründe haben. Gründe, die ohne Zweifel mit dem Parlamentsgeschehen im Zusammenhang stehen dürften. Gesetzgeberische Maßnahmen zur

Bekämpfung der Inflation und der immer deutlicher zutage tretenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind nämlich vom Hohen Haus am Ring nicht mehr vor dem Sommer zu erwarten.

Magere Resultate

Immer deutlicher zeichnet sich die mangelnde Arbeitsfähigkeit des Parlaments ab.

Im Juni wird sich die Konfrontation der Parteienansichten auf ganze eineinhalb Sitzungstage beschränken, und selbst dabei wird man große Mühe haben, die Tagesordnungen mit auch nur halbwegs interessanten Materien zu füllen. Das Parlament wird sich der Öffentlichkeit am B. Juni (ab 13 Uhr!) und am 16. Juni kaum überzeugend präsentieren können.

Dabei tagen die verschiedensten Parlamentsausschüsse, die die einzelnen Vorlagen plenumsreif machen sollen, recht fleißig und mit größtem Zeitaufwand. In keinem Verhältnis zum Zeitaufwand stehen allerdings die Resultate.

Halbwegs erwähnenswert sind das Schülerbeihilfengesetz und der Torso der 4. Schulorganisationsgesetznovelle (befristete Aufhebung der Aufnahmsprüfungen, Schulversuche, Bildungsberatung). Doch das sind eher „Optikgesetze“ von begrenzter Bedeutung und keineswegs Maßnahmen zur Lösung vitaler Bevölkerungsprobleme. Im Sozialausschuß wird demnächst auch noch’ die Neuregelung der Überstundenzuschläge (alle Überstunden mit 50prozentigem Zuschlag, bisher die ersten vier Überstunden mit 25prozentigem Zuschlag) verabschiedet. (Also wieder ein „Optikgesetz“).

So bleibt die quer durch Parteien und Bevölkerungsschichten umstrittene kleine Strafrechtsreform als einzige Materie übrig, die Aussicht hat, gesetzliche Wirklichkeit zu werden (Homosexualität, Ehestörung, Ehebruch und Verkehrsstrafrecht).

Hingegen ist es keineswegs sicher, ob die Wehrgesetznovelle noch vor dem Sommer plenumsreif gemacht werden kann, obwohl der FPÖ- Wehrexperte Zeillinger nach Schluß der Ausschußsitzung vom vergangenen Donnerstag die eher optimistische Ansicht vertrat, die Arbeiten könnten nach vier weiteren Sitzungen beendet sein. Doch gerade der Verlauf dieser Sitzung stimmt eher pessimistisch: Da verhandelten doch die Parteienvertreter — obwohl die wechselseitigen Standpunkte längst bekannt sind — einen geschlagenen

Tag lang praktisch ergebnislos über die ersten, weniger bedeutsamen Gesetzespassagen, ohne an den harten Kern auch nur heranzukommen. Die einzig interessanten Details, die aus dieser Sitzung verlauteten, war die Mitteilung des Sektionschefs Dr. Steiner, daß der verlängerte Grundwehrdienst Personalmehrkosten von 440 Millionen Schilling im Jahr verursachen werde und daß nach Ansicht von Verteidigungsminister Lütgendorf eine Bereitschaftstruppe von 15.000 Mann unerläßliches Minimum für die Aufrechterhaltung der Verteidigungsbereitschaft sei.

Verlangt nun die ÖVP bekanntlich die gesetzliche Sicherung für die tatsächliche Existenz dieser Bereitschaftstruppe, so glauben die Freiheitlichen in Übereinstimmung mit der SPÖ darauf verzichten zu können. Dafür deckt sich ihr Standpunkt bei der Tageszahl der Waffenübungen eher mit jenem der ÖVP.

So zeichnet sich für den Fall, daß die Ausschußberatungen noch vor dem Sommer abgeschlossen werden können, ein eher komplizierter Abstimmungsvorgang in der zweiten Lesung des Gesetzes mit wechselnden Mehrheiten ab.

Indessen steht schon so gut wie fest, daß wichtige Materien vor dem Sommer nicht mehr erledigt werden können. Das gilt beispielsweise für die Wohnungsgesetzgebung, das neue Bundesstraßengesetz und das Lebensmittelgesetz.

Eine bedeutende Rolle werden allerdings diie vom Regierungschef für Mai oder Juni angekündigten Kontakte über das wichtigste Gesetz im Herbst, das Budget 1972, spielen. Der Mai ist ohne solche Gespräche verstrichen, der Juni ist da: Glaubt man Dr. Kreisky, dann wird er zunächst mit der ÖVP verhandeln. Es ist anzunehmen, daß dieser Meinungsaustausch eher längere Zeit in Anspruch nehmen dürfte. Sollte es dabei zu keinem Resultat kommen, müßten sich daran anschließende Kontakte mit den Freiheitlichen ergeben. Ein ähnlich rasches Ja zu Kreiskys Budgetplänen wie im Vorjahr ist von den Freiheitlichen diesmal jedoch kaum zu erwarten. Im Gegensatz zu damals h/at Dr. Kreisky jetzt kein ähnliches Atout zu, bieten, wie es das Wahlrecht war.

Also: Im Herbst wieder-.in alter Besetzung. Aber, wie schon gesagt, es steht eben dann das Budget im Vordergrund der Arbeit. Mit anderen Worten: wichtige gesetzliche Weichenstellungen größeren Umfangs darf man sich für 1971 also nicht mehr erwarten.

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