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Weltgeschichte(n)

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„Heil — 'zeihung, ich meine, Freundschaft“, sagte ein Mann, der neben der Portierloge des Klagen-furter Landhauses stand, als Landeshauptmann Wagner mit einem Koffer in der Hand an ihm vorbeistrebte, „fahren Sie auf die Schallaburg, um der zaudernden Bundesregierung in der Minderheitenfrage den Kopf zurechtzusetzen?“

„Nein, nach Tadschikistan“, sagte der Landeshauptmann.

„Viel Erfolg“, sagte der Klagenfur-ter Fahrdienstleiter, als er den stellvertretenden Landeshauptmann mit einem Koffer auf dem Bahnsteig traf, „sicher fahren Sie zu einem ■ Krisengipfel wegen der Minderheitenfrage nach Wien?“

„Nein, nach Tadschikistan“, sagte der stellvertretende Landeshauptmann und ehemalige Verkehrsminister Frühbauer.

„Heil — 'zeihung, ich meine, Grüß Gott“, sagte ein aufrechter Kärntner Passant, als er den zweiten stellvertretenden Landeshauptmann und Kärntner Oppositionschef Bacher mit einem Koffer zu seinem Auto gehen sah, „fahren Sie zu einer Fahnenweihe unseres Heimatdienstes?“

„Nein, nach Tadschikistan“, sagte der Dritte im Lande, beziehungsweise im Bunde.

„Um Gottes willen, es ist soweit,“ sagte der Zollbeamte auf dem Flughafen Schwechat als Kärntens Landeshauptmann, sein erster und sein zweiter Stellvertreter ihre blauen Dienstpässe zückend an ihm vorbei-

marschierten, „emigrieren Sie schon aus Österreich?“ •

„Blödiinn“, sagten alle drei, „wir fahren nur nach Tadschikistan. Aber wir kommen wieder!“

„Gott sei Dank“, sagte der Zollbeamte, „ich meine — gute Reise!“

„Weißt eigentlich du“, sagte, als die Maschine von der Schwechater Piste abhob, Landeshauptmann Wagner zu seinem Stellvertreter Frühbauer, „wo Tadschikistan ist?“

„Nein“, sagte dieser „aber, wenn wir dort sind, werden wir es ja sehen.“

„Daran erkennt man“, sagte der Oppositionschef Bacher, „wie wichtig unsere Reise zur Intensivierung der gegenseitigen Beziehungen ist! Übrigens, die Opposition schläft nicht. In Tadschikistan gibt es Minderheitenprobleme.“

„Großartig!“ sagte der Landeshauptmann.

„Die müssen wir unbedingt studieren, bevor wir über unsere Reise daheim Bericht erstatten“, sagte der erste stellvertretende Landeshauptmann, „zum Glück habe ich ein ordentliches Lexikon daheim. Sofort nach unserer Heimkehr müssen wir uns über die tadschikischen Minderheiten informieren, sonst kommt wieder irgend so ein Docker und behauptet, unsere Reise war für die Katz'!“

„Ja, dem muß unbedingt vorgebeugt werden“, sagte der Landeshauptmann, „sonst wird unser mühsames Verständigungswerk mit Menschen anderer Herkunft im Keim erstickt. Übrigens, mit welchem Land setzen wir fort?“

„Ich wäre für Kenia“, sagte der erste stellvertretende Landeshauptmann, „dort kann man herrlich jagen!“

„Oder Thailand!“ sagte der zweite stellvertretende Landeshauptmann.

„Pfui“, sagte der erste stellvertretende Landeshauptmann.

„Warum“, sagte der zweite stellvertretende Landeshauptmann, „Bundespräsident Jonas war schließlich auch dort!“

„Das Blöde ist“, sagte der Landeshauptmann, „daß uns die Thailänder noch nicht eingeladen haben.“

„Nichts ; einfacher als das“, sagte der erste stellvertretende Landeshauptmann, „laden einfach wir sie

ein, dann müssen sie uns auch einladen.“

Die Herren waren in einen leichten Schlummer verfallen, als der Umkehrschub der Düsenmaschine aufheulte.

„Eine Slowenendemonstration!“ rief der Landeshauptmann.

„Beruhigen Sie sich, wir landen doch nur in Moskau“, sagte sein zweiter Stellvertreter.

Natürlich ist diese Geschichte er-

logen. Die Herren führten im Flugzeug ernste Gespräche über Völkerverständigung. Niemand grüßte sie irrtümlich mit „Heil“. Auch wird keine Person dieses Kalibers von Untergeordneten gefragt, wohin sie reist. Und schon gar nicht trägt sie sich ihren Koffer selbst zum Zug oder Auto.

Nur das Ziel der gemeinsamen Reise, Tadschikistan, stimmt.

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