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Weltliteratur

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Das Buch umspannt nicht nur 400 Jahre Literaturgeschichte, von dem Grenzüberschreiter Doktor Faustus bis zu Doktor Schiwago, dem Grenzüberschreiter eines Rie- senreichs und dessen Diktatur, sondern auch 40 Jahre aus dem Leben eines deutschen Intellektuel- len von außergewöhnlichen Gaben des Verstandes und der Einfühlung.

Wenn Oskar Wilde ironisierend die sich als objektiv aufspielende Literaturkritik für die einzig legi- time Form hält, in der man seine Selbstbiographie schreiben könn- te, so bietet Hans Mayer mit diesem Buch hierfür unfreiwillig ein her- vorragendes Beispiel.

Ist es 1954 fürden Leipziger Lite- raturprofessor noch ein Racheakt des Westens, Iwan Bunin, dem ver- stoßenen russischen Schriftsteller, den Nobelpreis zu verleihen, so

bedeutet ihm der Nobelpreis für Pasternak bereits eine gerechte Würdigung. Dieser Ansicht wegen muß Hans Mayer 1962 die Univer- sität Leipzig verlassen. Macht also Pasternaks ästhetische Liquidation des sozialistischen Realismus den Beschluß, so hebt das Buch doch mit Arbeiten aus dem Jahr 1954 an, in welche delikat, aber pflichtge- mäß die Nomenklatura der marxi- stischen Ästhetik eingebaut ist. Aber es wird bestimmt nicht lange dauern und man wird diese Partien so hinnehmen wie ein mo- demer Agnostiker die Isis und Osi- ris - Anrufungen in der „Zauber- flöte".

Aber was rundum an interpreta- torischer Leistung vollbracht wird, ist aufschlußreich und fesselnd zugleich. 40 Jahre eines Literaten- lebens, das zwischen Gewissenrein- heit und Selbstbewahrung einer- seits und einer teils freiwilligen, teils aufgedrungenen Assimila- tionsleistung andererseits das Dra- ma Deutschlands in diesem Jahr- hundert widerspiegelt.

WELTLITERATUR. Studien und Versuche. Von Hans Mayer. Suhrkamp Verlag, Frankfurt 1989.470 Seiten, öS 296,40.

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