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Wer wird das je verstehn?

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Sieht man, dank der Video-thek des ORF. jene Dokumentation über die Ereignisse des 15. Juli 1927 wieder, die 1977 von Hans Zerbs und Norbert Hoch-mayr versucht wurde, so verstärkt sich der Eindruck, den die erste Ausstrahlung hinterließ. Des Kopfschütteins ist kein Ende.

Jedes intelligente Volk wirft sich, sobald es kracht und knallt, zu Boden. Die Dokumentaraufnahmen aus jenen Tagen zeigen hingegen eine Volksmenge, die sinnlos durcheinanderrennt, sobald sie erfahren muß, daß Dummheit kein Privileg ist und daß nicht nur sie selbst, sondern auch die staatliche Exekutive den Kopf verlieren kann.

Was die Dokumentation verschweigt, ist der Umstand, daß der Freispruch des Schattendorfer Täters durch Geschworene erfolgt war. Geschworenengerichte gelten nach wie vor als humanitärer Fortschritt, denn sie gehen auf die Bluttribunale der Französischen Revolution zurück. Und besagter Freispruch war nicht die letzte Großtat dieser Institution.

Massenschlächter aus deutschen Konzentrationslagern -man erinnere sich! - mit denen verglichen der Täter von Schattendorf ein im Schatten seines Dorfs dahindämmernder Jogi war, wurden ebenfalls von Geschworenen freigesprochen und Kritik an der Institution kann nur hinter vorgehaltner Hand geäußert werden. Nach dem Freispruch der KZ-Schinder ging nicht einmal das Bezirksgericht in Flammen auf. Wieso eigentlich?

Und dann die Antworten der Uberlebenden von 1927 auf die Frage, ob dergleichen sich wiederholen könne. Wiener verwechseln ihre Stadt mit Österreich und Österreich mit der Welt. Natürlich wiederholt sich dergleichen. Irgendwann und irgendwo. Jedes Volk hat seinen Wahnsinnsanfall. In Frankreich sauste das Fallbeil, in Rußland füllten sich die Schweigelager, in Deutschland zischten die Gasdüsen. „Herr, erlöse uns von dem Bösen. Amen.”

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