Die Schwierigkeiten des I. Vaticanums bestanden in den Entscheidungen, die um die Unfehlbarkeit des Papsttums zu fällen waren, während die Väter des II. Vaticanums Empfehlungen gäben, deren divergierende Auslegungen noch spürbar die Kirche des zu Ende gehenden Säculums begleiten werden. Der Infallibili- tätserklärung des I. Vaticanums folgten in der Gründung der Altkatholischen Kirche durch Ignaz Döllinger, die bitteren Konsequenzen. Von diesem zähen Ringen der beiden „Parteien”, von dem, was hinter den öffentlichen Sitzungen vorging, gibt ein Konzilszeugnis aus der Umgebung des Kardinals Schwarzenberg, das römische Tagebuch des Salesius Mayer, des späteren Abtes von Osseg (1816-1876) Auskunft. Dieser hatte als Konzilstheologe des Prager Erzbischofs Zugang zu allen vorbereiteten Gesprächen der Antiinfallibilisten, pflegte enge Kontakte zum Sekretär des Wiener Kardinals, übersah mit wachem Auge die jeweilige Szene der Konzilsphase, und veröffentlichte im geeigneten Augenblick seine Sentenzen gegen die Dogmatisierung der Unfehlbarkeit Die Ansichten der Gegner der „persönlichen” Unfehlbarkeit des Papstes und der Befürworter standen einander trotz der einen oder anderen Kompromißvorschläge in scharfer Front gegenüber. Das Plenum des Konzils zählte nur das „pro” und das „contra” der Väter und übersah, daß die Fronten oft quer durch die Ansichten der Väter gingen und die Mehrheit eine nicht geringe Anziehungskraft für die noch Schwankenden ausübte. Dabei hing der Kompromiß schon in der Luft. Die opponierenden Bischöfe unterwarfen sich, aber verweigerten wie Schwarzenberg und Rauscher die Publizierung der über ihre guten dogmatischen und kirchengeschichtlich fundierten Vorlagen hinweggehenden Dekrete Roms.
EIN KONZILSZEUGNIS AUS DER UMGEBUNG DES KARDINALS SCHWARZENBERG. Das römische Tagebuch des Salesius Mayer OČist (1816-1876). Von Klaus Schatz SJ (Veröffentlichungen des Institutes für Kirchengeschichte von Böhmen-Mähren-Schlesien).
