6907398-1980_48_20.jpg
Digital In Arbeit

Wojtyla bei den Germanen

Werbung
Werbung
Werbung

Es begann im Norden, wo die Glaubensbrüder, auf Kommando singend, auf Kommando betend, in bewundernswerter Disziplin dem Regen und dem Sturm standhielten, wo aber auch niemand ahnt, daß Christentum so heiter sein kann wie eine Mozartmesse, so turbulent wie ein Gottesdienst in Neapel und so ekstatisch wie ein nächtlicher Augenblick in der Grotte von Massabielle bei Lourdes.

Und es endete, nach einem sehr innigen und fast schon heimatlichen Abend angesichts der karolingischen Pfalzkapelle von Altötting, mit wuchtiger baju-warischer Festlichkeit auf der Münchener Theresienwiese, unter einem weiß-blauen Himmel.

Festzustellen war, daß bundesdeutsche Sprecher es fertigbringen, kirchliche Ereignisse zugleich strohtrocken und salbungsvoll zu kommentieren, daß aber auch bundesdeutsche Aufnahmeteams den Stimmungswert päpstlicher Ereignisse optisch durchschaubar zu machen wußten.

Diese Optik erhielt ihren wahren Wert erst vor dem Hintergrund jener Hetze, mit denen die Umerzogenen ihr Pflichtpensum absolvierten, von den Tadelsanträgen der theologischen Schik-keria bis hinunter zu den neurotischen Haßausbrüchen des „Spiegel"-Augstein und anderer von den Besatzern hinterlasse-ner Umerzieher. Niemand noch hat den Wojtyla-Papst pro et contra so sehr bestätigt wie die todernsten Germanen. Auch, indem sie, als reichstes Volk Europas, die Kostenfrage aufwarfen. Seit 200 Jahren wird ja bekanntlich verlangt, daß Religion, im Gegensatz zu Staat, Gewerkschaft und Sport, nichts kosten dürfe.

„Martin, steig vom Pferd, wirf das Schwert weg, gib mir den Mantel", wurde unlängst rezitiert. Eindrucksvoll, nicht wahr? Aber die Fortsetzung wurde verschwiegen, sie lautet: Der Bettler nahm den Mantel, umgürtete sich mit dem Schwert und stieg aufs Roß. Und er teilt nie.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung