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Wortgestöber

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„Immer ein Gestöber aus Wör- tern im Kopf" durchwandert Ed- win Wolfram Dahl, wie er selbst sagt, Wien, Paris, Venedig, aber auch seine eigene Seelenlandschaft. Doch ist sein Kopf so geartet, daß sich in ihm dieses Wortgestöber in Sprachfiguren verwandelt, die ganz im Gegensatz zur windigen Flüch- tigkeit wie Kletten an uns, den Lesern, haften bleiben, uns nicht los lassen, bis sie unsere eigene Einbildungskraft erreicht und be- fruchtet haben: Eine Bereicherung durch Welthaltigkeit.

Ob nun Dahl in einem Salome- Gedicht alliterierend verfährt („Im Achselhaar / verknotet / klappert kahl / die Kastagnette") oder in einem Lulu-Gedicht dissonierend („Läßt Jünglingen barfuß dein stei- les Geschuh"), so geht doch seine Ironie immer wieder den harten Problemkern an.

Denn der Mensch, insbesondere der Lyriker, ist mit der grammati- kalischen Erbsünde behaftet, in einer Person von sich reden zu müssen, als wüßte er, wer er sei: „Was ich nicht bin / bin ich? / Ich werde / weil ich war". Solche kon- tradiktorischen Disjunktionen ent- weder ironisch gegeneinander aus- zuspielen oder beschwörend zu verschmelzen macht die Spann- weite dieses originellen lyrischen Werkes aus.

Das „Wortgestöber" wird hier mit höchster Intensität ins Ge-dicht verwandelt, für das oft eine einzel- ne Metapher oder Wortprägung („Galgengott") entscheidend ist, um uralte Fragen in neuem Lichte zu zeigen, oder uns die Gefährdungen, aber auch Hoffnungen unseres Jahrhunderts einzuprägen: „Denk- schritte sitzend in Hörsälen - deine sind Kirchgänge".

VON STAUNEN EINEN REST. Von Edwin Wolfram Dahl. Otto Müller Verlag, Salzburg 1989.111 Seiten, öS 198,-.

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