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Zu simple Theorie

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Nach seinem durchaus interes- santen Erstlingswerk „Sinnliche Gewißheit" konfrontiert uns nun der Wiener Autor Robert Menasse mit schwer verdaulicher Kost. In seinen Essays zum österreichischen Geist, betitelt „Die sozialpartner- schaftliche Ästhetik", tischt er uns eine ziemlich fragwürdige, weil all- zu simpel gestrickte Theorie auf.

Er meint, die Unterschiede zwi- schen der deutschen und der öster- reichischen Literatur seien vorran- gig auf die unterschiedliche gesell- schaftliche Organsiation des Kapi- talismus zurückzuführen. Im Fall Österreichs seien die spezifischen Erscheinungsformen unserer Lite- ratur mit dem System der Sozial- partnerschaft zu erklären. Durch das gesellschaftliche Klima des Ver- schweigens statt Ausformulierens von Gegensätzen sei auch die öster- reichische Literatur letztlich ge- kennzeichnet. Sowohl Menasses analytische Methode - ein ziemlich mechanischer Marxismus - als auch seine Auseinandersetzung mit ei- ner willkürlichen Auswahl von Schriftstellern sind reichlich frag- würdig. Daß er darüber hinaus noch meint, die Gründe für den Selbst- mord eines Autors (den 'r nicht einmal persönlich kannte) bewer- ten zu können, macht die Methode endgültig obsolet. Wer den subjek- tiven Faktor in derart nachlässiger Weise unterschätzt und meint, alle Strömungen der Zeit nach einem so simplen Strickmuster auf die öko- nomische Basis reduzieren zu kön- nen, dessen Theorie liegt am Boden. Daß das Buch darüber hinaus in gräßlichstem Germanistendeutsch abgefaßt ist, läßt einen nur hoffen, daß Menasse das Schreiben nicht gänzlich verlernt hat.

DIE SOZIALPARTNERSCHAFTLICHE ÄS- THETIK. Essays zum österreichischen Geist. Von Robert Menasse. Sonderzahl Verlag, Wien 1990. 176 Seiten, öS 198,-.

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