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Zweitrangige Katholiken

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Im Oktober 1975 feierte die Wiener griechisch-katholische Zentralpfarre St. Barbara in der Postgasse die vor 200 Jahren erfolgte Gründung des „Barbareums“, mit der die Geschichte dieser Pfarre in Wien begann.

Wenn zu einer solchen Feier ein Buch wie dieses erscheint, pflegt man zu sagen, es sei „aus Anlaß“ erschienen. Es haben die beiden Bände in diesem Jahrestag wohl einen unmittelbaren Anlaß zur Fertigstellung gefunden, die Arbeit daran ist aber für den Autor bereits seit Jahrzehnten ein Anliegen gewesen. Ja, man kann ohne Übertreibung sagen, daß sie eng mit dem persönlichen Schicksal Plöchls verbunden ist. Er hat die Arbeit 1935 begonnen, mußte sie dann zwangsläufig unterbrechen, als er die Heimat verlassen mußte, fand aber auch in den Vereinigten Staaten Möglichkeiten, auf Grund des dort vorzufindenden Quellenmaterials immer wieder die Unterlagen zu ergänzen. Nach der Rückkehr Plöchls trat der Plan in den Hintergrund, als er an seiner kirchlichen Rechtsgeschichte arbeitete, um dann, nach Abschluß dieses Werkes, endlich realisiert zu werden.

Die Arbeit besteht aus zwei Bänden. Der erste enthält eine kurze Geschichte des Kirchengebäudes in der Postgasse sowie des weltberühmten Chores der Pfarre. Weiter ein Kapitel über die älteste Geschichte von St. Barbara, das von Maria Theresia am 15. Oktober 1775 gegründete Bar-bareum, ein Seminar für die griechisch-katholischen Geistlichen. Dieses Seminar war jedoch bereits acht Jahre später gefährdet, als Joseph II. zur Durchführung seiner ihm so am Herzen liegenden Reform der Priesterausbildung schritt. Mit der Schließung der kleinen Seminare und der Gründung der Generalseminare sollten neue Generationen josephinischer Geistlicher herangezogen werden. Das Barbareum wurde als Seminar aufgehoben, blieb jedoch dank einer an Ort und Stelle vorgenommenen persönlichen Entscheidung des Monarchen als Pfarrkirche den Griechisch-Katholischen in Wien erhalten. Damit begann die eigentliche Geschichte der Pfarre. Erst im 19. Jahrhundert wurde wieder ein Seminar angeschlossen.

Der staatliche Gründungsakt durch Joseph II. ist ein juristisch interessanter Vorgang, dessen kirchen-rechtliche und staatskirchenrecht-liche Einordnung von Plöchl genau untersucht wird. Es zeigt sich, daß dieser zunächst dem josephinischen Staatskirchenrecht entspringende Akt durchaus mit dem byzantinischen Kirchenrecht (Stifterrecht) zu vereinbaren war. Verständlich anderseits, daß die Folgezeit mit einer derartigen Stiftung rechtlich nicht viel anfangen konnte. Schwierigkeiten mit Pfarrjurisdiktion und Diözesanjurisdiktion folgten — ein langer Weg bis zur heutigen Personalpfarre, deren Territorium das Gebiet der Republik umspannt.

Die Geistlichen verblieben zunächst bei ihren Heimatdiözesen, es gab Schwierigkeiten bezüglich der Pfarrjurisdiktion über die „Unier-

ten“, da von staatlichen und kirchlichen Behörden das Schema der territorialen Pfarrorganisation nicht verlassen wurde. So wurde das gültige Aufgebot in der territorial zuständigen lateinischen Pfarre erlassen, ein weiteres Aufgebot durch St. Barbara war gleichsam nur Fleißaufgabe des dortigen Pfarrers. Dies führte zu einer Doppelgeleisig-keit des gesamten Matrikenwesens der Griechisch-Katholischen in Wien. Ein unguter Aspekt dieser Jurisdiktionsprobleme ergab sich in den Auseinandersetzungen über die Stolagebühren, auf die die lateinischen Geistlichen oft nur ungern verzichteten. Es zeigt sich in all dem ganz deutlich, wie sehr die „Unierten“ Katholiken zweiter Ordnung waren. Wie vollständig die Verwirrung über diese Pfarre war, zeigt auch, daß vorerst das Wiener erzbischöfliche Konsistorium die Pfarrechte verlieh, obwohl es hiezu nach Kirchenrecht völlig inkompetent war; erst seit 1820 erfolgte die Einsetzung durch den zuständigen Metropoliten von Lemberg.

Heute sind alle diese Fragen geklärt, seit 1935 die Pfarre direkt dem Hl. Stuhl (der Kongregation für die

Ostkirchen) unterstellt, die ihre Jurisdiktion dem Erzbischof von Wien delegiert hat, der damit zum Ordinarius für alle Griechisch-Katholi-schen Österreichs wurde.

Die Kurzbiographien der Pfarrer von St. Barbara zeigen, welche überdurchschnittlichen Persönlichkeiten ihr vorstanden. Im zweiten Band finden wir einen Abdruck des Pfarrbuches von St. Barbara von 1784 bis 1814 und wichtige Dokumente zur Geschichte der Pfarre. Erwähnenswert die schöne Bildausstattung, wodurch dieses Werk als eine Rechtsund Kulturgeschichte der ukrainischen Gemeinde in Wien eine würdige Abrundung erfährt.

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